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Wer braucht schon ein Faltrad?

Verfasst: Mo Jul 02, 2012 9:01 pm
von Bernhard
Faltrad? Die schiere Ignoranz herrschte bis vor wenigen Wochen in meiner Zweirad-Vorstellungswelt.

"Kinderwagenräder unter Giraffenstangen", so habe ich das "Ding" wahrgenommen, wie es Nachbars Saab-Cabrio-Fahrer - nachdem er seine Kinder zur Waldorf-Schule gefahren hatte - aus dem Kofferaum zog und nach einigen Umständlichkeiten zum Fahrradfahren benutzte.

Ich suchte nach einem richtigen Fahrrad.

Die Fehlkauferfahrung hatte ich schon hinter mir, eine Art Ostsee-Mietrad mit 5-Gang-Schaltung, wovon der erste und der letzte Gang ging. Meistens. Manchmal auch garnicht mehr.

Ich klapperte also schon länger Foren ab, hatte kreuzzugartige Diskussionen über die richtige Schaltung gelesen, hatte alsbald empört die Pedelecs als fahrrad-unethisch abzulehnen gelernt, begann Komponentenlisten aufzustellen, schaute mir Sprengzeichnungen von Planetengetrieben an und verstand, dass man Schrauber werden muß, wenn man die eierlegende Wollmilchsau haben will.

Durch einen völligen Zufall bin ich dann neulich bei Youtube auf ein Video eines Montague Boston 8 gestoßen und war plötzlich elektrisiert. "Hängengeblieben" war ich zuerst an dem ungewöhnlichen Rahmendesign. Dann kapierte ich, daß man das Gerät auch klein machen konnte und begriff: von den 70er-Jahre-Klapprädern meiner Jugend war man wohl weg.

Ich stöberte durch die Videos von NYCEwheels und staunte immer mehr: über Speed, über Effizienz, über Style, über das Fasziniertsein, übers Praktische... Verschiedene Marken tauchten auf, ich lernte über den Streit der Hons und den Preis der Bernds, sah fasznierende Gabeltechnik beim Birdy und abnorme Schaltungsgrößen bei manchen Speedbikes.

Anschließend ging alles weitere schnell: Ich verstand, daß dieses komische Rad vom Nachbarn keine Marotte war, sondern einen Zweck hatte. Und der besteht im S-Bahn-Fahren. Er fährt ein Brompton, trägt es in die S-Bahn - und parkt es sonntags morgens beim Bäcker durch Umklappen des Hinterrades - faszinierend.

Als Software-Developer lasse ich mich von schönen Ideen und ausgeklügelten Konzepten faszinieren, Durchdachtes und Effizientes aber auch Hintergründiges haben mich immer schon erfreut. Ich wollte nun Ausprobieren.

Dann machte ich im Fahrrad-Supermarkt die gleiche Erfahrung wie manch anderer hier: "Bin ich falsche Zielgruppe". Alles, was interessant sein könnte, gab es nur in homöpatischen Dosen, vom Rest dafür die schiere Masse. Mittelmäßig enttäuscht fand ich mich wieder - in meinem Auto.

Letzten Samstag war ich dann beim Fahrradhändler um die Ecke. Tatsächlich hatte der 2 Falträder. Sehr freundlicher, engagierter Mensch, aber mit einem unerklärlichen Hang zur 24" Variante. Waren es meine grauen Haare, die mich zum Senior machen und ihn auf den größeren Comfort des größeren Durchmessers verweisen liessen?

Markenmäßig ist er durch seine Einkaufsgenossenschaft gebunden an Dahon, was ihn zu der steilen Aussage verleitete, an den Terns wären noch viele Fehler, die nur Fachleute sehen würden. Ich paddelte ein wenig auf und ab, unter anderem ein Gerät der Marke "Falter", aber leider nichts, was in mir Emotionen weckte.

Nun sitze ich hier und langweile Euch. Und hoffe gleichzeitig, daß ich irgenwie rauskriege, was ich will.

Was stelle ich mir also eigentlich vor?
  • Das Ding muß in der S-Bahn klein vor den Füßen stehen.
  • Im Büro hab ich einen Aufzug und Platz unter dem Schreibtisch.
  • Licht soll es haben, ich bin ein gesetzestreuer Bürger und respektiere die StVO.
  • Schutzbleche gegen nassen Dreck müssen auch sein, aber richtige.
  • Aber ein gewisses Maß Eitelkeit sollte das Teil ebenso befriedigen - schwarze Felgen oder so...
  • Nabe lieber als Kette, Alfine mag ich mehr als Nexus, Rohloff find ich klasse aber zu teuer.
  • Einstellbarer Vorbau mit Schnellspanner schafft die Chance zum Haltungswechsel wenn der Rücken ans Alter apelliert.
  • Und ein Gepäckträger erspart mir den Rückgriff auf die Ostsee-Fehlkauf-Reminiszenz, wenn meine mir Angetraute die sonntägliche Ausfahrt befiehlt.
Grund für Hoffnung?

Re: Wer braucht schon ein Faltrad?

Verfasst: Mo Jul 02, 2012 10:19 pm
von superfalter
Brompton:
klein, von Hause aus erstmal nur 6gang Sturmey Archer Nabenschaltung möglich
Vorbau fixiert durch Lenkerform variiert sich die Höhe

Birdy:
Alles möglich an Schaltungen. Etwas grösser zu Falten.
Vorbau einstellbar

Tern/Dahons:
viele Schaltungsmöglichkeiten
Vorbau fixiert.

StVO Modelle gibt es bei allen.

Hast also eine grosse Auswahl bis jetzt.

Re: Wer braucht schon ein Faltrad?

Verfasst: Fr Aug 10, 2012 12:00 am
von EmilEmil
Der Optimist (Superfalter ?) meint, daß wir in der besten aller Faltrad-Welten leben; der Pessimist (EmilEmil ?) befürchtet, daß dies wahr sein könnte............
Wenn Bernhard möchte, daß alle seine Ansprüche erfüllt werden. hat er gar keine Auswahl !
MfG EmilEmil

Re: Wer braucht schon ein Faltrad?

Verfasst: Fr Aug 10, 2012 6:31 am
von Motte
Klar, Brompton. Aber man sollte überlegen ob es die 6 Gang Variante oder der Umbau auf die 8-fach bei Junik wird. Mittlerweile gibt es das Brommie ja auch in richtig edlen Varianten.
Und es hat sich mit den Taschen bzw. dem gesamten Zubehör im Laufe der Zeit ein eigener "Systemmarkt" speziell für dieses Rad gebildet. Das ist der Vorteil, wenn es ein Produkt gibt, dass über Jahre (hier schon Jahrzehnte) besteht und immer wieder (zaghaft) verbessert wird.

Die Sitzhaltung kann man auch durch Wahl des passenden Lenkers ändern - zum Beispiel durch den P Lenker beim Brommie.

.

Re: Wer braucht schon ein Faltrad?

Verfasst: Mo Aug 13, 2012 6:03 am
von Harry
Seit mir das MTB geklaut wurde frage ich mich eher, "wer braucht schon ein anderes Fahrrad, als ein Faltrad?", zumindest gilt das für die Stadt.

Vorher habe ich Faltradfahrer auch belächelt, im Nachhinein bin ich dem Dieb dankbar, denn als das MTB weg war, bin ich durch die Läden gezogen um nach einem neuen zu gucken. Zufälligerweise hatte Stadler gerade in der Zeit das Vitesse D7 für 399,- im Angebot (auch noch mit 0% Finanzierung). Da hab ich es einfach mal mitgenommen.

Aus der Zwischenlösung wurde ein Hobby, am Vitesse habe ich bis auf Rahmen+Gabel alles ausgetauscht und mittlerweile habe ich mir zwei weitere Dahon angeschafft. Brompton finde ich aber auch sehr hübsch. Nur bei den futuristischen Birdys bin ich etwas skeptisch.

Schutzbleche, Licht und Gepäckträger kann man bei jedem Rad nachrüsten, wichtiger finde ich das Faltmaß und vor allem das Gewicht. Die Optik ist aber ausschlaggebend, oder?!
6 bis 8 Gang finde ich ausreichend, zur Not kann man hier auch nachrüsten (auf 2 x 6/7/8/9). Hauptsache es ist ein Markenfalter und bei den günstigen Einstiegsmodellen hat man genügend Spielraum für Verbesserungen, Leichtbau, etc.

Re: Wer braucht schon ein Faltrad?

Verfasst: Mo Aug 13, 2012 11:04 am
von alterfalter2
@ Bernhard

" * Das Ding muß in der S-Bahn klein vor den Füßen stehen.
* Im Büro hab ich einen Aufzug und Platz unter dem Schreibtisch.
* Licht soll es haben, ich bin ein gesetzestreuer Bürger und respektiere die StVO.
* Schutzbleche gegen nassen Dreck müssen auch sein, aber richtige.
* Aber ein gewisses Maß Eitelkeit sollte das Teil ebenso befriedigen - schwarze Felgen oder so...
* Nabe lieber als Kette, Alfine mag ich mehr als Nexus, Rohloff find ich klasse aber zu teuer.
* Einstellbarer Vorbau mit Schnellspanner schafft die Chance zum Haltungswechsel wenn der Rücken ans Alter apelliert.
* Und ein Gepäckträger erspart mir den Rückgriff auf die Ostsee-Fehlkauf-Reminiszenz, wenn meine mir Angetraute die sonntägliche Ausfahrt befiehlt."

Wenn Du viel mit dem Rad pendelst und öffentliche Verkehrsmittel benutzt, wirst kaum um ein Brompton herumkommen, nicht nur , weil es sich schnell sehr klein falten läßt, sondern auch , weil es ein überragend gutes Gepäckmitnahme-System hat. Ich kenne kein anderes Faltrad, das etwas vergleichbares bieten würde. Falls Dir die Möglichkeiten der angebotenen Schaltungsvarianten nicht ausreichen: die Umrüstung auf eine Sturmey Archer 5 Gang gekoppelt mit der Brompton half-step Schaltung ist preiswert und einfach und ohne Aufweiten des Hinterbaus möglich. Damit hast Du 10 fein abgestufte Gänge - das fahre ich seit 2 Jahren und bin ganz glücklich damit.
Ein weiterer Vorteil ist das Abstellen des Faltrads auf dem Hinterbau, meist reicht das in U- und S-Bahn völlig aus. http://www.flickr.com/photos/foldingtil ... 0241583790
Das Brompton wird mit einem Gummi- oder Klettband unterhalb des Sattels an der Haltestange des Wagens fixiert und das Aus- und Umsteigen geht fast so schnell, wie ohne Radmitnahme.
Auch beim Brompton gibt es die Möglichkeit zum Haltungswechsel am Lenker. Entweder man bestellt sich das P-Modell oder man montiert kurze Lenkerhörnchen an die gerade Lenkstange..

Ich habe einige Falträder ausgiebig probiert und fahre wirklich viel mit dem Rad. Das Brompton würde ich auf jeden Fall behalten (und ein Bike Friday), wenn ich mich einmal reduzieren müßte.

Gruß TIL

Re: Wer braucht schon ein Faltrad?

Verfasst: Mo Aug 13, 2012 12:36 pm
von vmax
Hallo Til!

""die Umrüstung auf eine Sturmey Archer 5 Gang gekoppelt mit der Brompton half-step Schaltung ist preiswert und einfach und ohne Aufweiten des Hinterbaus möglich. Damit hast Du 10 fein abgestufte Gänge - das fahre ich seit 2 Jahren und bin ganz glücklich damit. ""

Heist für mich 5 Gang Nabenschaltung mit zwei Ritzeln hinten= 10 Gänge, hast du ein Foto da von,
bitte hier einstellen--das währe mir neu :D

Oder meinst du einen Opa Gang? Foto
http://fahrradzukunft.de/2/halfstep/

ich hab es deine Schaltung ist diese hier:
http://forum.tour-magazin.de/showthread ... 4der/page2

Warum gibt es die nicht mehr bei Brompton?

Re: Wer braucht schon ein Faltrad?

Verfasst: Mo Aug 13, 2012 12:58 pm
von vmax
Da ist diese Schaltung:
ImageUploadedByTapatalk1344862723.462288.jpg
Das hier:
http://www.bromptonauten.de/umbauten/zehngang.html

muss man wohl selber umbauen?

Re: Wer braucht schon ein Faltrad?

Verfasst: Mo Aug 13, 2012 8:05 pm
von alterfalter2
@ vmax

..genau, das ist die Schaltung und den Umbau muß man selbst machen (oder vom Mechaniker machen lassen).
Bei Gelegenheit stelle ich gerne mal ein (besseres) Bild ein, es sieht aber genau so aus, wie auf dem eben gezeigten. Mit dem Rad habe ich die SPEZI besucht (mit PackDog Einspuranhänger am Brompton), der ein- oder andere wird sich daran erinnern..
http://www.flickr.com/photos/janbeeldri ... 838836429/
Durch einen glücklichen Zufall endeckte ich ein neu eingespeichtes Brompton Hinterrad mit der SA Sprinter 5-gang Nabe mit Schaltzug und Schalter in der Englischen eBucht und konnte es für kleines Geld ersteigern. Der Rest war flott erledigt, allein das Gefeile war etwas mühsam.
Es gibt aber hier im Forum Material über solche Umbauten..

Gruß TIL

Re: Wer braucht schon ein Faltrad?

Verfasst: Di Aug 14, 2012 5:49 am
von Motte
Bernhard,

was Du für Dich an "Forderungen" aufgestellt hast, könnte aus einem Werbeprospekt von Brompton abgeschrieben sein. So genau deckt es sich mit dem, was die Stärken des "Brommie" ausmachen. Daher spricht hier auch kaum jemand von anderen Rädern. Nun kauf ja nicht jeder ein Rad um erst einmal alles daran umzubauen. Wie viele Gänge Du brauchst, kannst Du nur selbst rausfinden. Mit dem serienmäßigen 6 Gang ist man schon ganz gut ausgerüstet. Wer es einfacher haben möchte und nur einen einzigen Schaltgriff kann (auch später noch) auf eine andere Schaltung umrüsten (z.B. auf die Nexus Premium oder Alfine).
Oder umrüsten lassen bei der erwähnten Firma "Junik".

Du solltest aber auf jeden Fall - vorher - eine ausgiebige Probefahrt unternehmen. Nicht jeder fühlt sich auf jedem Rad wohl und das kann man mit "Vernunftgründen" auch nicht widerlegen. Soweit Du noch kein Faltrad gefahren bist, gönne Dir eine längere Probefahrt. An alle Falträder muss man sich erst einmal gewöhnen. Sie sind gegenüber einem 28 Zoll "Normalrad" alle etwas agiler (zappeliger). Guck in einer Schaufensterscheibe, ob Dir das gefällt, was Du da siehst und ob Du so rumfahren möchtest. Wenn Du damit nicht klar kommst, hätte ein Faltrad keinen Sinn :mrgreen:

Gruß

Udo