Das Rechtsfahrgebot sagt eben nicht "20 cm von der Bordsteinkante". Sondern Du sollst am rechten Fahrbahnrand fahren. So weit rechts, wie der Situation angemessen ist. Als Radfahrer musst Du also nicht anhalten und das Rad tragen oder ansonsten durch die kaputte Flasche fahren, sondern "darfst" sie umfahren.
Gleichwohl gibt die Regel ein bestimmtes Verhalten vor. Wenn Du auf der Autobahn ständig auf der linken Spur fährst, zieht dich die Polizei da raus - weil es eine Norm gibt, auf die sie sich berufen kann und die du kennen solltest, wenn Du mit dem Auto unterwegs bist.
Gleiches gilt für den ausreichenden Abstand beim Überholen eines Fahrzeugs.
Der BGH hat mal gesagt, dass Du beim Überholen eines Radfahrers mindestens 1 1/2 Meter Abstand halten sollst. Er hat auch nicht gesagt immer und genau 1,5 Meter - sondern mindestens. Wenn Du einen unsicheren Radfahrer erkennst, muss der Abstand größer sein. Wenn Du weißt, dass dein Fahrzeug einen Schleppwirbel erzeugt, ebenfalls.
Nur mit § 1 StVO würdest Du und die 20 anderen Autofahrer hinter dir, dem Radfahrer, mit seinen 12 Km/h, folgen und überlegen ob der jetzt rechts ran muss, oder Du mit welchem Anstand überholen darfst. Da wäre die Frage wer gegen § 1 verstößt - denn dort behindert zunächst der Radfahrer. Ich bezweifele stark, dass der sich die Frage auch so stellt. Die Lösung war dann die Konkretisierung § 5 Abs. 6 Satz 2 StVO. Und die ist gekommen, weil es einen Regelungsbedarf gab - nicht weil irgendwer in einer Behörde Langeweile hatte und Gesetze bastelt.
Das es auch viele Regelungen gibt, deren Nutzen man gar nicht oder nur schwer erkennen kann - keine Frage. Nur, der gleiche Stammtisch, der die Überreglementierung beklagt, der jammert auch gern, wenn ihm etwas nicht passt und es noch keine Regel dafür gibt.
Meterweise Ärger
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Pibach
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Re: Meterweise Ärger
Mac, es ist u.a. genau die Aufgabe der Gerichte, die Gesetzgebung "auszuschmücken". Warum wird sonst wohl Urheberrechtsentscheidung an das EuGH abgegeben? Die haben übrigens aktuell entschieden: http://www.zdnet.de/88184272/eugh-verli ... zulaessig/
Das war bisher strittig und es gab divergierende Entscheidungen (und hat nichts damit zu tun was mir nicht passt).
Deine Kritik an der "Unvollkommenheit" eines Rechtssystems ist in etwa vergleichbar, wenn man die Unvollkomenheit der Schöpfung kritisieren wollte. Fehler sind inherent und gar nicht vermeidbar. Du kannst nur mehr oder weniger passendes fabrizieren und das dann immer wieder überdenken und anpassen. Es existiert dazu bisher schlicht keine handhabbare Alternative. Es gab auch noch nie ein auch nur ansatzweise "vollkommenes" Rechtssystem. Die haben sogar eher die grundsätzliche Tendenz, Ungerechtigkeiten und kruden Unfug anzuziehen, weil die Prozesse, die zur Gesetzgebung führen, gar nicht die eigentlichen Zielsetzung (Gemeinwohl) im Blick haben, sondern ganz unterschiedliche individuelle Ziele (z.B. Wiederwahl und dergleichen).
Hinzu kommt, dass je trennschärfer Du Regelwerke formulieren wolltest, umso schwieriger wird es, die einzelnen Fälle sinnvoll abzudecken und es tun sich immer mehr Lücken auf, das führt zu Nachbesserungen und noch mehr Unsinn usw. Das lässt sich an endlosen Beispielen zeigen.
Auch ist die Intention des Gesetzgebers leider nicht immer so klar. Eigentlich geht es ja auch immer um das Ziel: Gemeinwohl. Die richtigen Wege dahin sind aber oft strittig. Gerichte sind auch dazu da, die Gesetzgebung zu überwachen und im Zweifel umzuinterpretieren oder abzulehnen. Sehr oft wären Regelwerke auch gar nicht durchsetzbar und würden kollabieren. Das abzuwenden ist auch Aufgabe der Gerichte. Erst nach längeren Überarbeitungsprozessen fließen diese Erkenntnisse wieder in die Gesetzgebung zurück, die Gesetze werden dann u.U. überarbeitet. Das ist aber ein sehr träger und fehlerträchtiger Prozess.
Das kann man natürlich alles kritisieren und versuchen, bestimmte Einzelheiten fortwährend zu verbessern. Man muss aber auch gleichzeitig mit der starken Tendenz zur Fehlerträchtigkeit umgehen können. Und das geht ohne gewisse Unschärfe und Inkonsequenz gar nicht.
Das war bisher strittig und es gab divergierende Entscheidungen (und hat nichts damit zu tun was mir nicht passt).
Deine Kritik an der "Unvollkommenheit" eines Rechtssystems ist in etwa vergleichbar, wenn man die Unvollkomenheit der Schöpfung kritisieren wollte. Fehler sind inherent und gar nicht vermeidbar. Du kannst nur mehr oder weniger passendes fabrizieren und das dann immer wieder überdenken und anpassen. Es existiert dazu bisher schlicht keine handhabbare Alternative. Es gab auch noch nie ein auch nur ansatzweise "vollkommenes" Rechtssystem. Die haben sogar eher die grundsätzliche Tendenz, Ungerechtigkeiten und kruden Unfug anzuziehen, weil die Prozesse, die zur Gesetzgebung führen, gar nicht die eigentlichen Zielsetzung (Gemeinwohl) im Blick haben, sondern ganz unterschiedliche individuelle Ziele (z.B. Wiederwahl und dergleichen).
Hinzu kommt, dass je trennschärfer Du Regelwerke formulieren wolltest, umso schwieriger wird es, die einzelnen Fälle sinnvoll abzudecken und es tun sich immer mehr Lücken auf, das führt zu Nachbesserungen und noch mehr Unsinn usw. Das lässt sich an endlosen Beispielen zeigen.
Auch ist die Intention des Gesetzgebers leider nicht immer so klar. Eigentlich geht es ja auch immer um das Ziel: Gemeinwohl. Die richtigen Wege dahin sind aber oft strittig. Gerichte sind auch dazu da, die Gesetzgebung zu überwachen und im Zweifel umzuinterpretieren oder abzulehnen. Sehr oft wären Regelwerke auch gar nicht durchsetzbar und würden kollabieren. Das abzuwenden ist auch Aufgabe der Gerichte. Erst nach längeren Überarbeitungsprozessen fließen diese Erkenntnisse wieder in die Gesetzgebung zurück, die Gesetze werden dann u.U. überarbeitet. Das ist aber ein sehr träger und fehlerträchtiger Prozess.
Das kann man natürlich alles kritisieren und versuchen, bestimmte Einzelheiten fortwährend zu verbessern. Man muss aber auch gleichzeitig mit der starken Tendenz zur Fehlerträchtigkeit umgehen können. Und das geht ohne gewisse Unschärfe und Inkonsequenz gar nicht.
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Re: AW: Meterweise Ärger
Das ist Wunschdenken. Der Zeitgeist ändert sich nun mal. Was früher als positiv für das Gemeinwohl galt, ist morgen Schnee von gestern.derMac hat geschrieben: Der Zeitgeist hat bei der Rechtssprechung nichts zu suchen. Der muss in die Gesetzgebung eingehen.
Wir hatten mal Frau am Herd, Judenverfolgung, Grenzerschießung uvm. an Totalunfug in der Gesetzsprechung, die da sogar im Einklang mit der vorherrschenden Meinung war. Müssen nicht immer so eklatante Sachen sein, heutzutage gehts mehr um das viele Klein-Klein. Und jetzt verschiebt "der Zeitgeist" eben mal das Urheberrecht und Gesetze zum Fahrradlicht. Demnächst darf man mit dem Fahrrad vielleicht bei Rot über Ampeln fahren? Usw. Es ist schlicht unmöglich, Gesetze für die Ewigkeit festzulegen. Abgleich am Zeitgeist und ggf. Uminterpretation bis hin zur Aussetzung, Überarbeitung oder Abschaffung von Gesetzen ist sehr wichtige Aufgabe von Gerichten und anderen gesellschaftlichen Kräften.
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Re: AW: Meterweise Ärger
Ja.Pibach hat geschrieben:Was früher als positiv für das Gemeinwohl galt, ist morgen Schnee von gestern.
Nein. (Das Verfassungsgericht spielt hier aber eine Sonderrolle)Abgleich am Zeitgeist und ggf. Uminterpretation bis hin zur Aussetzung, Überarbeitung oder Abschaffung von Gesetzen ist sehr wichtige Aufgabe von Gerichten
Ja.und anderen gesellschaftlichen Kräften.
Mac
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Re: AW: Meterweise Ärger
Nimm doch mal das EuGH Urheberrechts-Beispiel. Das wird das doch gut klar.derMac hat geschrieben:Nein. (Das Verfassungsgericht spielt hier aber eine Sonderrolle)Abgleich am Zeitgeist und ggf. Uminterpretation bis hin zur Aussetzung, Überarbeitung oder Abschaffung von Gesetzen ist sehr wichtige Aufgabe von Gerichten
Das gilt auch für niedere Instanzen. Divergenzen werden halt an höhere Instanzen weitergegeben. Das Prinzip der Entscheidungsfindung durch Prämisse auf die verpflichtenden Ziele (Gemeinwohl) und Interpretation der Gesetze in dieser Richtung, und wenn das nicht gelingt Eskalation des Problems, sollte jedes Gericht anwenden. Oder hat seinen Auftrag mißverstanden.
Hier mal ein Alltagsbeispiel - Mutter-Kind-Radeln -, wie Gerichte permanent heruminterpretieren.
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Re: Meterweise Ärger
Weil man denkt, dass das EU-Weit über EU-Recht entschieden werden muss. Es werde aber nicht alle Urheberrechtsentscheidungen abgegeben.Pibach hat geschrieben:Warum wird sonst wohl Urheberrechtsentscheidung an das EuGH abgegeben?
Ich kritisiere nicht pauschal "die Unvollkommenheit" des Rechtssystems. Außerdem glaube ich nicht an Schöpfung. Die Unvollkommeheit der Natur zu kritisieren ist natürlich Unsinn. Von durch Menschen geschaffenen Regeln zu verlangen, dass sie sich in Richtung "Vollkommeheit" bewegen ist jedoch IMO wünschenswert.Deine Kritik an der "Unvollkommenheit" eines Rechtssystems ist in etwa vergleichbar, wenn man die Unvollkomenheit der Schöpfung kritisieren wollte.
Nochmal, ich will nicht, dass alles bis ins Detail geregelt wird. Wenn man jedoch unbedingt Regeln für Details machen will, sollen die auch halbwegs was bringen. Sonst kann man sie lassen.Hinzu kommt, dass je trennschärfer Du Regelwerke formulieren wolltest, umso schwieriger wird es, die einzelnen Fälle sinnvoll abzudecken und es tun sich immer mehr Lücken auf, das führt zu Nachbesserungen und noch mehr Unsinn usw. Das lässt sich an endlosen Beispielen zeigen.
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Re: AW: Meterweise Ärger
Nein.Pibach hat geschrieben:Nimm doch mal das EuGH Urheberrechts-Beispiel. Das wird das doch gut klar.
Das gilt auch für niedere Instanzen.
Ja, weil der Gesetzgeber keine gescheite Gesetzeslage hinbekommt. Das muss man aber dem Gesetzgeber anlasten, das ist schlicht ein Versagen von ihm und nicht der gewünschte Zustand. Der gewünschte Zustand ist Rechtssicherheit.Hier mal ein Alltagsbeispiel - Mutter-Kind-Radeln -, wie Gerichte permanent heruminterpretieren.
Mac
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Re: AW: Meterweise Ärger
Der "gewünschte Zustand" ist positive Wirkung für das Gemeinwohl!derMac hat geschrieben:[Ja, weil der Gesetzgeber keine gescheite Gesetzeslage hinbekommt. Das muss man aber dem Gesetzgeber anlasten, das ist schlicht ein Versagen von ihm und nicht der gewünschte Zustand. Der gewünschte Zustand ist Rechtssicherheit.Hier mal ein Alltagsbeispiel - Mutter-Kind-Radeln -, wie Gerichte permanent heruminterpretieren.
Rechtssicherheit könnte dafür nützlich sein, ja. Muss aber nicht.
Beispielsweise bestand beim "Schießbefehl" Rechtssicherheit, war aber kein wünschenswerter Zustand.
Besser wäre es Anbetracht solcher (hier sehr plakativen) Fehlerhaftigkeit der Gesetze, wenn sie Interpretationsspielraum ließen, oder aber gar nicht durchgesetzt würden.
Wären die Gesetze alle "toll", wäre Rechtssicherheit natürlich schick - sowas ist aber weitgehend Wunschtraum.
Das sollte doch hinreichend offensichtlich sein.
Das "gewünschte" ist nunmal nicht (so leicht) erreichbar.
Man kann darüber philosophieren, in wie weit es prinzipiell nicht erreichbar ist oder welches Maß an Unfähigkeit da ursächlich ist. Jedenfalls ist der Status quo voller Ungereimtheiten.
Wie sollte man Deiner Meinung nach mit sowas umgehen?
Deine Haltung, sowas zu kritisieren ohne aber eine Lösung zu haben ist halt ein gewisses Traumtanzen.
Statt (unrealistische) Perfektion zu erwarten muss man einen evolutiven Prozess der ständigen Überarbeitung etablieren. Das ist pragmatisch die beste Option.
War z.B. ein ewiges hin und her beim Urheberrecht, bis es nun endlich einen gewissen Konsens durch das EuGH gibt. Bleibt noch abzuwarten, ob das in der Praxis tatsächlich funktioniert. Insgesamt ist der Prozess der Entwicklung der Rechtsprechung aber nicht so leicht zu verbessern. Eigentlich kann man schon froh sein, dass es halbwegs und ungefähr in die richtige Richtung läuft. Das war historisch bzw. aktuell in anderen Ländern eigentlich nur selten so.
Das Mutter-Kind-Fahrrad-Problem ist auch seit langem ungelöst.
Und so gibt es Tausende von unklaren, unfertigen und unsinnigen Baustellen in den Gesetzeswerken.
Da kann man nur froh sein, dass sie zum großen Teil nicht durchgesetzt werden.
Ich bin der Meinung, dass ein aufgeklärter, experimenteller/spielerischer Umgang mit der Welt die besten Möglichkeiten bietet, solche Optimierungen durchzuführen. Ein rigides Korsett der Rechtsprechung würde solch eine Kultur eliminieren und sich dann der Kontrolle und Entwicklung entziehen.
Kann man auch alles an diversen historischen Beispielen gut sehen. Und ist alles Gegenstand der Rechtstheorie usw.
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Re: AW: Meterweise Ärger
Es gibt in unserer Gesellschaft keineswegs einen Konsens darüber, dass das Gemeinwohl in jedem Fall über das Wohl des Einzelnen zu stellen ist. Und im Falle von Rechtssicherheit bin ich wie viele andere auch für das Wohl des Einzelnen der nicht den Launen eines Richters ausgesetzt ist. Warum Rechtssicherheit für das Gemeinwohl schlimm sein soll kann ich aus all deinen merkwürdigen Bsp. nicht herauslesen. Schlimm für das Gemeinwohl sind IMO dämliche Gesetze und die IMO einzig sinnvolle Lösung ist die Zahl der dämlichen Gesetze zu reduzieren. Darauf zu hoffen, dass sie so dämlich sind, dass sie schon keine negativen Auswirkungen haben werden, weil die Dämlichkeit ja für den Richter offensichtlich ist, halte ich für naiv.Pibach hat geschrieben:Der "gewünschte Zustand" ist positive Wirkung für das Gemeinwohl!
Rechtssicherheit könnte dafür nützlich sein, ja. Muss aber nicht.
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Re: AW: Meterweise Ärger
Ich glaub wir reden mal wieder aneinander vorbei.derMac hat geschrieben:Es gibt in unserer Gesellschaft keineswegs einen Konsens darüber, dass das Gemeinwohl in jedem Fall über das Wohl des Einzelnen zu stellen ist. Und im Falle von Rechtssicherheit bin ich wie viele andere auch für das Wohl des Einzelnen der nicht den Launen eines Richters ausgesetzt ist. Warum Rechtssicherheit für das Gemeinwohl schlimm sein soll kann ich aus all deinen merkwürdigen Bsp. nicht herauslesen. Schlimm für das Gemeinwohl sind IMO dämliche Gesetze und die IMO einzig sinnvolle Lösung ist die Zahl der dämlichen Gesetze zu reduzieren. Darauf zu hoffen, dass sie so dämlich sind, dass sie schon keine negativen Auswirkungen haben werden, weil die Dämlichkeit ja für den Richter offensichtlich ist, halte ich für naiv.Pibach hat geschrieben:Der "gewünschte Zustand" ist positive Wirkung für das Gemeinwohl!
Rechtssicherheit könnte dafür nützlich sein, ja. Muss aber nicht.
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Viele Gesetze sind "dämlich", so siehts aus.
Und man möchte deren Anzahl reduzieren, genau.
Oder sie überarbeiten.
Soweit Konsens.
Das gelingt aber eben nicht umfassend.
Die Frage ist, was man mit den verbliebenen, "dämlichen" Gesetzen anstellt, für die man keinen quick fix angeben kann.
Ausserdem funktionieren komplexe Entscheidungsprozesse nicht so einfach nach Regeln. Das ist u.A. in der künstlichen Intelligenz ganz gut untersucht.
Man hat z.B. lange versucht Expertensysteme mit immer mehr und mehr Regeln zu füttern und sich gewundert, das deren Entscheidungen nicht wirklich "intelligent" wurden. Lange dachte man, das läge nur daran, dass es zu wenig Regeln wären oder einige nicht ganz ideal wären. Inzwischen ist man von so einem Regel-basierten Ansatz eigentlich ganz weggekommen. Solche Ergebnisse der künstlichen Intelligenz geben auch Anhaltspunkte, wie natürliche Intelligenz funktioniert. Das heißt, dass so ein Richter (oder generell Menschen) keineswegs allein auf Basis der Regeln entscheiden kann. So einfach funktioniert das in komplexen Situationen nicht.
Vielmehr hat er ein komplexes Modell, das auch den Zeitgeist und Subjektivität beinhaltet. Das Modell erlaubt ihm, über Entscheidungen zu reflektieren, also "was wäre wenn" Vorhersagen zu treffen.
In diesem Modellraum orientiert er sich anhand von Zielen.
Die Regeln sind dabei nur Anhaltspunkte.
Im Grunde versucht er seine Entscheidung, die er anhand der Ziele findet auf Basis von Regeln zu erläutern. Kann man auf ein Suchproblem abbilden, also diejenige Entscheidungen, die am besten die Ziele erfüllt, und sich durch die Regeln begründen lässt, ohne Widersprüche im Rechtssystem bzw. zur Realität zu erhalten.
Ohne sein Modell und seine Ziele würde da aber völliger Unfug rauskommen können, Regelwerke sind nämlich sehr vielfältig interpretierbar, wenn man den gesunden Menschverstand wegblendet.
Die trickreiche Begründung des EuGH zeigt das sehr schön. Im Grunde ging es darum, diese Entscheidung irgendwie aus den Gesetzen heraus zu begründen. Eine gegenteilige Entscheidung wäre aus den Gesetzen auch ableitbar gewesen - mit der Realität aber schlecht vereinbar gewesen (Durchsetzbarkeit, de facto Status, Widerspruchsfreiheit, usw).
Hätte der EuGH keinen solchen Trick gefunden, hätte man die Gesetze ändern müssen. Das wäre dann hoffentlich auch passiert.
Die Sicht, ein Richter würde die Gesetze nehmen und - unabhängig von anderen Einflüssen - anwenden ist imho völlig irreführend. Das kann prinzipiell gar nicht funktionieren.