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Re: AW: Promillegrenze für Radfahrer

Verfasst: Sa Aug 30, 2014 9:07 pm
von Pibach
berlinonaut hat geschrieben: Nö, ich glaube da gar nichts. Ich weiss es schlicht nicht und habe keine Möglichkeit es rauszufinden. Also gibt es keine Grundlage auf der ich irgendetwas glauben könnte. Die Variante links abbiegen wollen mit dem Gedanken "das schaff ich noch vor dem Bus" ist genauso eine valide Option wie alle anderen denkbaren Szenarien. Der einzig gesicherte Fakt ist: Hätte die Radlerin das Schild beachtet wäre nichts passiert.
Ich gehe davon aus, dass Erkenntnisprozesse etwas anders ablaufen. Oft hat man nur mehr oder minder fehlerbehaftete Beobachtungen und unsichere Modell, die sich sukzessive verdichten.

Die nicht beachtete Vorfahrt könnte jedenfalls nur zutreffen, wenn sie entweder durch den Radweg auf die Fahrspur führe - lässt sich wohl als extrem unwahrscheinlich ausschließen, siehe Bild.
Oder der Busfahrer hält kerzengerade auf die Bushaltestelle zu, dann treffen die sich an der Kreuzungsecke innerhalb des Radweges (genau vor dem Vorfahrt achten Schild). Da kriegt der Busfahrer dann wohl formal recht, aber mit so einem Verhalten würde selbst ich nicht rechnen. Würde auch davon ausgehen, dass der Busfahrer bei sowas in einer gerichtlichen Entscheidung auch eine fahrlässige Gefährdung abbekommt.
@Motte, wie würdest Du das denn einschätzen?
Treffen die sich später, wäre es eher ein Einfädeln in die Spur. Wobei nach dem Verlauf der Radspur und der Fahrlinie des Busses, das Zusammentreffen noch in der Radspur erfolgt sein dürfte.
Da ist die Radfahrerin aber bereits in der Geradeausfahrt. D.h. dort würde der Bus die Radfahrerin überholen, und muss ihr Vorrang gewähren, wenn er sie schneiden will, um an die Bushaltestelle zu gelangen.

Die Polizei war ja auch nicht beim Vorgang dabei und muss auf ganz ähnlichen Indizien das ganze Einordnen. Die Entscheidung, wem da schließlich die Schuld zugeordnet wird, ist eben selten eindeutig - wie man hier recht gut erkennen kann.

Kommt auch gar nicht auf den Einzelfall an, sondern eigentlich gehts darum, dass recht häufig eine Diskrepanz zwischen polizeilicher Einordnung und "tatsächlicher Ursache" entsteht, wie hier exemplarisch gut zu beobachten ist. Und es zeigt auch, dass Schuldzuordnungen häufig knappe Entscheidungen sind und jede Menge Interpretationsvarianten und Fehlermöglichkeiten bestehen. Die Geschichten vom Verkehrsrowdy (oder hier der dösigen 16-Jährigen), der durch fahrlässige Übertretung von Verkehrsregeln systematisch andere gefährdet und Unfälle produziert, treffen zwar vielleicht in Einzelfällen zu, die große Masse der Unfälle wird aber durch Verkettung von kleinen Einzelfaktoren verursacht.

Re: AW: Promillegrenze für Radfahrer

Verfasst: So Aug 31, 2014 1:53 pm
von berlinonaut
Pibach hat geschrieben:
berlinonaut hat geschrieben: Nö, ich glaube da gar nichts. Ich weiss es schlicht nicht und habe keine Möglichkeit es rauszufinden. Also gibt es keine Grundlage auf der ich irgendetwas glauben könnte. Die Variante links abbiegen wollen mit dem Gedanken "das schaff ich noch vor dem Bus" ist genauso eine valide Option wie alle anderen denkbaren Szenarien. Der einzig gesicherte Fakt ist: Hätte die Radlerin das Schild beachtet wäre nichts passiert.
Ich gehe davon aus, dass Erkenntnisprozesse etwas anders ablaufen. Oft hat man nur mehr oder minder fehlerbehaftete Beobachtungen und unsichere Modell, die sich sukzessive verdichten.
Da gehe ich absolut mit. Schon allein deswegen, weil Modelle zwangsläufig ein drastisch vereinfachtes Abbild der Realität sind, in dem die Komplexität "künstlich" verringert ist. Das ist ja genau der Zweck eines Modells: Komplexität reduzieren, um Erkenntnis zu ermöglichen und dann über Varianzen des Modells möglichst nahe an die Effekte der Realität zu kommen.
Pibach hat geschrieben: Die nicht beachtete Vorfahrt könnte jedenfalls nur zutreffen, wenn sie entweder durch den Radweg auf die Fahrspur führe - lässt sich wohl als extrem unwahrscheinlich ausschließen, siehe Bild.
So leid es mir tut: Die nicht beachtete Vorfahrt trifft in jedem Fall zu. In dem Moment wo jemand wartepflichtig ist, also die Vorfahrt achten muss, das nicht tut und es kommt dabei oder unmittelbar danach zum Unfall ist er der Unfallverursacher durch Nichtbeachten der Vorfahrt. So ist die Gesetzeslage, ob Dir das gefällt oder nicht.
Pibach hat geschrieben: Die Polizei war ja auch nicht beim Vorgang dabei und muss auf ganz ähnlichen Indizien das ganze Einordnen. Die Entscheidung, wem da schließlich die Schuld zugeordnet wird, ist eben selten eindeutig - wie man hier recht gut erkennen kann.
Die Polizei hat gegenüber Dir und mir den Vorteil, dass sie vor Ort war - d.h. sie weiss, wo genau der Unfall passiert ist, sie kann mit den Beteiligten sprechen, sie hat die Unfallspuren. Sie weiss also erheblich mehr als Du und ich. Im Gegensatz dazu phantasierst Du wild rum (es bleibt Dir auch kaum was anderes übrig mangels Informationen). Allerdings ist die Bezugsgrösse, auf deren Basis Du rumphantasierst die Pibachsche Weltordnung, wohingegen sich die Polizei auf die gültigen Gesetze und die STVO bezieht, was zu gewissen Differenzen in der Interpretation führt, verstärkt dadurch, dass Du Informationen, die Du nicht hast, einfach erfindest und als gesicherte Wahrheit verkaufst. Die Polizei ist im Übrigen auch gar nicht für Interpretationen da, sie beschreibt bestmöglich Sachverhalte. Sobald da komplexe Interpretationen ins Spiel kommen sind Gerichte gefragt. Das ist der Unterschied zwischen Exekutive und Judikative. Du hingegen bist Exekutive, Judikative und auch noch Legislative in Personalunion, weil Du die Spielregeln auch noch selber festlegen möchtest - und zwar ex post, also nachdem der Sachverhalt sich schon ereignet hat. Was ein subooptimals Vorgehen ist, weil es maximale Rechtsunsicherheit schafft.
Pibach hat geschrieben:Kommt auch gar nicht auf den Einzelfall an, sondern eigentlich gehts darum, dass recht häufig eine Diskrepanz zwischen polizeilicher Einordnung und "tatsächlicher Ursache" entsteht, wie hier exemplarisch gut zu beobachten ist.
Spätestens hier wird Dein Erkenntnisprozess absurd und es ist eine sehr schöne Gelegenheit das aufzuzeigen:

1.) Es passiert ein Unfall, über den den es einen Pressebericht gibt. Dort wird eine eindeutige Unfallursache genannt, nämlich "Verletzung der Vorfahrt" durch die verletzte Radfahrerin. Nach Betrachtung der Unfallstelle via Google Street-View scheint das eine absolut mögliche, wenn nicht gar wahrscheinlich zutreffende Beschreibung. Sicher kann man's nicht sagen, weil keine weiteren Unfalldetails bekannt sind.

2.) Weil nicht sein kann was nicht sein darf suchst Du nach Möglichkeiten, wie der Unfall sonst passiert sein könnte. Hauptkriterium dabei ist die Vorfahrtsverletzung wegzudiskutieren und dadurch den Fehler der Radfahrerin zu eliminieren. Dazu spekulierst Du wild umher und landest am Ende bei einem Szenario, in dem - entgegen der geltenden Gesetze und am Rande der physikalischen Möglichkeiten - ganz eventuell der Busfahrer schuld sein könnte. Oder sonstwer. Jedenfalls nicht die Radfahrerin. Dafür gibt es zwar keinerlei Anhaltspunkte und es widerspricht den Aussagen der Polizei ebenso wie denen der Wahrscheinlichkeit, aber als theoretisch mögliches Szenario ist es nicht ausschliessbar, weil uns (im Gegensatz zur Polizei) ja nicht mehr Informationen vorliegen. Und wenn wir als Grundhypothese annehmen (und nur dann), dass der Polizeibericht falsch ist und zudem annehmen (und nur dann), dass die STVO für Radfahrer nicht gilt, kann man auf Deine Unfallinterpretation kommen. Es ist also ein theoretisches Konstrukt, das sogar nur dann funktionieren kann, wenn man die geltende Gesetzeslage mutwillig ignoriert.

3.) Nur zwei Postings später ist aus der theoretischen Möglichkeit mit verschwindend geringer Wahrscheinlichkeit auf einmal eine gesicherte Erkenntnis geworden - ohne dass Du irgendeine gesicherte Information mehr zur Verfügung hast als zum Zeitpunkt des wilden Rumspekulierens.

4.) Und weil wir ja auf magische Art und Weise jetzt eine gesicherte Erkenntnis haben kannst Du nun auch mit Fug und Recht behaupten, dass die Polizei je nach Gusto zu faul oder blöd ist die Unfallursache korrekt zu erkennen. Wahlweise lügt die Polizei auch einfach mutwillig.

5.) Und weil wir das jetzt für einen Einzelfall herbeiphantasiert haben ist es ein leichtes, das zu verallgemeinern und schon gilt grundsätzlich, dass "recht häufig eine Diskrepanz zwischen polizeilicher Einordnung und "tatsächlicher Ursache" entsteht". Und das alles nur weil nicht sein kann was nicht sein darf.

Tut mir leid, das ist kein Erkenntnisprozess, das ist Selbstverarschung. Und daraus wird dann ganz schnell Demagogie.

Re: AW: Promillegrenze für Radfahrer

Verfasst: So Aug 31, 2014 3:00 pm
von Pibach
berlinonaut hat geschrieben: Da gehe ich absolut mit.
Ok. Das beinhaltet dann aber eben auch, dass man kleinen Informationshäppchen nachgeht, statt (unendlich lange) auf gesicherte Erkenntnisse zu warten. Und durch verfeinern der Modelle, Analogieschlüsse usw, kann man das dann schon verdichten. Dabei sind unwahrscheinliche Optionen eben unwahrscheinlich und nicht "valide".
So leid es mir tut: Die nicht beachtete Vorfahrt trifft in jedem Fall zu.
Ich hab da doch nun die möglichen Fälle aufgeführt. In keinem ist das so klar und einfach wie du das hier gerne hättest. Oder?

Am plausibelsten ist ja: der Busfahrer hat kerzengerade auf die Bushaltestelle zugehalten. Die Radfahrerin kann aber nicht unbedingt ahnen, dass der ihr durch den Radweg fahren wird. Die Bushaltestelle sieht sie ja beim Abbiegen noch nicht.
Die Polizei ist im Übrigen auch gar nicht für Interpretationen da, sie beschreibt bestmöglich Sachverhalte.
Das geht immer mit einer gewissen Interpretation einher.
Sobald da komplexe Interpretationen ins Spiel kommen sind Gerichte gefragt.
Die Unfallstatistiken werden aber nicht nach den Gerichtsurteilen aktualisiert. Ausserdem kommt auch nur einen geringen Anteil in die gerichtliche Überprüfung.
Und weil wir ja auf magische Art und Weise jetzt eine gesicherte Erkenntnis haben kannst Du nun auch mit Fug und Recht behaupten, dass die Polizei je nach Gusto zu faul oder blöd ist die Unfallursache korrekt zu erkennen. Wahlweise lügt die Polizei auch einfach mutwillig.
Du neigst dazu, totalen Unfung reinzudichten.

Re: AW: Promillegrenze für Radfahrer

Verfasst: So Aug 31, 2014 3:22 pm
von berlinonaut
Pibach hat geschrieben:
berlinonaut hat geschrieben:
So leid es mir tut: Die nicht beachtete Vorfahrt trifft in jedem Fall zu.
Ich hab da doch nun die möglichen Fälle aufgeführt. In keinem ist das so klar und einfach wie du das hier gerne hättest. Oder?
Doch. In jedem einzelnen. Weil der Unfall sich unzweifelhaft - egal auf welche Art und Weise - nach dem Einbiegen unter Missachtung der Vorfahrt ereignet hat und somit laut Rechtssprechung dadurch ausgelöst wurde. Das kannst Du nur anders sehen, wenn Du die Vorfahrtsregelung wegdiskutierst und die Gesetzeslage ignorierst. Das ist schwierig, weil da sogar ein entsprechendes Schild steht und die Gesetzeslage eindeutig ist - was Dich aber seit einigen Seiten nicht davon abhält es permanent zu versuchen. Es geht nicht darum, wie ich es gerne hätte, sonder darum wie es ist versus wie Du es gerne hättest.
Pibach hat geschrieben:
berlinonaut hat geschrieben: Die Polizei ist im Übrigen auch gar nicht für Interpretationen da, sie beschreibt bestmöglich Sachverhalte.
Das geht immer mit einer gewissen Interpretation einher.
Das ist schwer zu vermeiden, ja. Aufgabe der Polizei ist es, das zu versuchen. Was manchmal besser und manchmal schlechter gelingt.

Pibach hat geschrieben:
berlinonaut hat geschrieben: Sobald da komplexe Interpretationen ins Spiel kommen sind Gerichte gefragt.
Die Unfallstatistiken werden aber nicht nach den Gerichtsurteilen aktualisiert. Ausserdem kommt auch nur einen geringen Anteil in die gerichtliche Überprüfung.
Wie kommst Du denn jetzt auf einmal auf die Unfallstatistiken? Gerade eben ging es noch darum, dass Du ohne jegliche Kenntnis von Fakten einen gänzlich anderen Unfallverlauf behauptest als die Polizei berichtet, die deutlich umfangreichere Informationen hat als Du. Und ironischerweise der Polizei vorwirfst, sie würde unzulässigerweise Dinge interpretieren, was Du selbst natürlich gar nie nicht tun würdest. :lol: Wir befinden uns also noch einige Kilometer vor der gesetzlichen Unfallstatistik. Wie würdest btw. Du diesen Unfall in die Statistik einfliessen lassen? Was wäre korrekt beschrieben die Unfallursache aus Deiner Sicht? Und wie begründest Du die?

Ich meine mich ausserdem aus einem anderen Thread zu erinnern, dass es auch eine Statisik der Gerichte gebe. Interessant wäre nun, ob es einen nennenswerte Abweichung gibt zwischen beiden. Das ist jetzt der Punkt wo ich mal sage "müsste man mal untersuchen". :o Meine Hypothese wäre, dass eine Abweichung vorhanden ist, sie aber nicht dramatisch ist. Ist aber eben nicht mehr als eine Vermutung.
Pibach hat geschrieben:
berlinonaut hat geschrieben: Und weil wir ja auf magische Art und Weise jetzt eine gesicherte Erkenntnis haben kannst Du nun auch mit Fug und Recht behaupten, dass die Polizei je nach Gusto zu faul oder blöd ist die Unfallursache korrekt zu erkennen. Wahlweise lügt die Polizei auch einfach mutwillig.
Du neigst dazu, totalen Unfung reinzudichten.
Nö, das ist das was Du schreibst. Wenn die Polizei - entgegen ihrer Aufgabe - Fakten regelmässig (fehl-)interpretiert anstatt sie korrekt aufzunehmen - und genau das behauptest Du - macht sie offensichtlich ihren Job nicht richtig. Fragt sich warum. Da fallen mir drei Möglichkeiten ein: Faulheit, Blödheit, Absicht. Wenn Dir eine vierte einfällt - immer her damit.

Re: AW: Promillegrenze für Radfahrer

Verfasst: So Aug 31, 2014 3:42 pm
von Pibach
berlinonaut hat geschrieben: Doch. In jedem einzelnen. Weil der Unfall sich unzweifelhaft - egal auf welche Art und Weise - nach dem Einbiegen unter Missachtung der Vorfahrt ereignet hat und somit laut Rechtssprechung dadurch ausgelöst wurde.
Hm. Wie ist denn da genau die Rechtslage?
Also angenommen der Busfahrer hat kerzengerade auf die Bushaltestelle zugehalten, durch den Radweg. Hat der Busfahrer im Kreuzungsbereich nicht Pflicht zum Spurhalten und darf also erst nach der Kreuzung an die Haltestelle heranscheren?
Wie würdest btw. Du diesen Unfall in die Statistik einfliessen lassen?
Gerichtliche Entscheidung könnte selbstverständlich erst danach einfließen (ich hab das Gefühl, Du hast ziemlich Spaß am Nonsens-erdichten).
Meine Hypothese wäre, dass eine Abweichung vorhanden ist, sie aber nicht dramatisch ist. Ist aber eben nicht mehr als eine Vermutung.
Davon würde ich auch ausgehen. Liegt aber vor allem daran, dass die meisten Vorfälle nicht gerichtlich entschieden werden. Nimmst Du nur die auch tatsächlich verhandelten Fälle als Grundgesamtheit, würde ich schon signifikante Abweichung erwarten.
Nö, das ist das was Du schreibst. Wenn die Polizei - entgegen ihrer Aufgabe - Fakten regelmässig (fehl-)interpretiert anstatt sie korrekt aufzunehmen - und genau das behauptest Du - macht sie offensichtlich ihren Job nicht richtig. Fragt sich warum. Da fallen mir drei Möglichkeiten ein: Faulheit, Blödheit, Absicht. Wenn Dir eine vierte einfällt - immer her damit.
Ich schreib nur was von Interpretieren ohne zu werten. Es liegt in der Natur von (subjektiven) Interpretationen, dass sie variieren. Insbesondere, wenn die Fälle komplex sind. Unfälle haben auch eine Tendenz, aus komplexen Situationen zu entstehen. Und wenn man davon ausgeht, dass die meisten Teilnehmer bemüht sind, sich angemessen zu verhalten (meine Grundannahme), dann gibt es eben selten eindeutige Schuld, und mit solchen Zuweisungen macht man dann zwangsläufig "Fehler".

Re: Promillegrenze für Radfahrer

Verfasst: So Aug 31, 2014 4:03 pm
von Pibach
berlinonaut hat geschrieben:Das Symptom ist - und da scheinen wir uns ausnahmsweise einig zu sein - dass Radfahrer die STVO grossflächig ignorieren. Eine Folge davon ist laut polizeilicher Unfallstatistik, dass mehr Radfahrer als nötig verunglücken….
Die Polizei erfasst ja zu den Unfällen jeweils die Regelverletzung (nach ihrer Kategorisierung). Dabei wird nicht erfasst, ob die Regelverletzung durch Ignorieren oder Übersehen entstand. Du kannst das so einfach also nicht als Folge des Ignorierens ableiten.

Sowohl Modell-Überlegungen als auch Studien legen nahe, dass der Beitrag an Unfällen durch Ignorieren von Regeln gering ist.

Siehe z.B. ADFC Studie „Fahrradunfälle mit Todesfolge 2008 bis 2012 - Analyse, Ursachen, Hintergründe“, PDF:

"Es kommen also nicht die jungen und möglicherweise risikobereiten Radfahrer zu schaden sondern die älteren und vermutlich besonnener fahrenden Menschen." (Abschnitt 1.3)

Insgesamt sind diese Zusammenhänge aber noch nicht ausreichen untersucht. Weswegen ich ja sage: das sollte man machen ;)

Hier tendiert die polizeiliche Ergebung auch zu einer Verfälschung, weil sie gehalten ist einen Verursacher zuzuordnen. Das filtert also einen erheblichen Teil der komplexen (multifaktoriellen) Fälle. Ausserdem wird das den in der StVO definierten Ursachen zugeordnet, es gibt aber wesentlich mehr Ursachen.
und dass sie in Berlin bei knapp 50% der Unfälle mit Radfahrern als Verursacher gelten.
Das soll wohl aussagen, dass sie etwa ausgeglichen selbst Schuld seien.
Diese Art der suggestiven Auswertung hat die Rad-Spannerei ja schon mehrfach kritisiert, weil sie die Eigenunfälle und Rad-Rad-Unfälle beinhaltet. Im mehrjährigen Mittel liegt der Verursacheranteil von Radfahrern auch niedriger, siehe obige ADFC Studie (Abschnitt 2.1).

Darüber hinaus wird das eingebrachte Risiko ignoriert. Oder, wie das Mac vorschlug, die Schwere der Unfalls oder Unfallwirkung.

Ist eben eine ganz anderer Wirkung, ob der Elefant der Maus auf den Schwanz tritt, oder die Maus dem Elefanten.
wäre nicht nur das Symptom weg sondern auch die Folge (und zwar beide) und das Verhalten an sich sei auch in keiner Weise etwas Unerwünschtes sondern im Gegenteil höchst erstrebenswert, weil die STVO ohnehin nur einen Haufen Schwachsinn enthält, jedenfall was Radfahrer betrifft.
In den Grünpfeil- und Shared-Space-Experimenten ist das ja untersucht worden. Weniger Unfälle gibt es nicht unbedingt, aber auch nicht unbedingt mehr, das kommt drauf an. Dass es keine oder drastisch weniger Unfälle gäbe, hat jedenfalls niemand behauptet. Es geht bei der Reduzierung der Regelungen auch nicht so sehr um Sicherheit (die soll etwa erhalten bleiben), sondern eher um andere Kriterien.
In Wirklichkeit wäre das Symptom durch die Pibachsche Vorgehensweise also gar nicht weg sondern lediglich vom Bug zum Feature deklariert - es heisst also nur anders, geändert hat sich an den Fakten in Wirklichkeit nichts und wohl auch nichts an den Folgen.
Sag ich doch: Beregelung der Radfahrer hat kaum nennenswerten Einfluss - man reduziert im wesentlichen nur deren Quote.
Die Ursache des Symptoms ist weder gefunden noch gelöst.
Ursachen des Symptoms „viele Radfahrer ignorieren diverse Verkehrsregeln“ sind u.a., dass die Infrastruktur und die Regeln nicht wirklich angepasst sind auf die Radfahrer.
Wer jetzt allerdings zukünftig "schuld" wäre, wenn ein Autofahrer bei grün einen (dann legitimen) Rotradler umnietete ist völlig ungeklärt. Es hätte sich ja keiner von beiden falsch verhalten.
Siehe Grünpfeil- und Shared-Space Versuchszonen. Da sind viele Regeln aufgehoben, die Schuldfragen bleiben aber dennoch entscheidbar oder zumindest gerichtlich verhandelbar. Mag aber sein, dass es in einigen Fällen etwas schwieriger wird.

Re: AW: Promillegrenze für Radfahrer

Verfasst: So Aug 31, 2014 4:10 pm
von berlinonaut
Pibach hat geschrieben:
berlinonaut hat geschrieben: Doch. In jedem einzelnen. Weil der Unfall sich unzweifelhaft - egal auf welche Art und Weise - nach dem Einbiegen unter Missachtung der Vorfahrt ereignet hat und somit laut Rechtssprechung dadurch ausgelöst wurde.
Hm. Wie ist denn da genau die Rechtslage?
Also angenommen der Busfahrer hat kerzengerade auf die Bushaltestelle zugehalten, durch den Radweg. Hat der Busfahrer im Kreuzungsbereich nicht Pflicht zum Spurhalten und darf also erst nach der Kreuzung an die Haltestelle heranscheren?
Nein, muss er nicht. Was abgesehen davon völlig egal ist, weil - Gebetsmühle anschmeiss - die Radfahrerin in jedem Fall hätte warten müssen bis der Bus passiert hat. Und nebenbei - nur noch mal zur Erinnerung - wissen wir überhaupt nicht, ob die Radfahrerin links oder rechts abgebogen ist und wo genau der Unfall überhaupt passiert ist und schon gar nicht wie. Du nimmst schon wieder Dinge als gesichert an, die lediglich Deiner Phantasie entsprungen sind.
Pibach hat geschrieben:
berlinonaut hat geschrieben:Wie würdest btw. Du diesen Unfall in die Statistik einfliessen lassen?
Gerichtliche Entscheidung könnte selbstverständlich erst danach einfließen.
Wir reden nicht vom Gericht. Du erzählst schon zig Postings, wie der Unfall verlaufen ist. Wenn wir eine Unfallstatistik führen wollen und wissen, dass nicht jeder Fall gerichtlich verhandelt wird, müssen diese Fälle zwangsweise statistisch verwurstet werden. Du sagst, die Einordnung der Polizei ist falsch. Wie ist also die Richtige?
Die einzige Alternative wäre zu sagen wir verzichten gänzlich auf die Statistik. Dann können wir halt am Jahresende nur sagen: "Auch in diesem Jahr gab es Verkehrsunfälle. Soweit ich mich erinnere gab es auch ein paar Tote und einige davon könnten Radfahrer gewesen sein. Mehr wissen wir leider nicht, weil unser Erkenntnishorizont nicht ausreicht. Zu den Unfallursachen können wir gar nichts sagen - das ist verdammt kompliziert, so dass, egal was wir sagen, falsch wäre." Ich bin mir nicht sicher ob das besser wäre.
Pibach hat geschrieben:
berlinonaut hat geschrieben:Meine Hypothese wäre, dass eine Abweichung vorhanden ist, sie aber nicht dramatisch ist. Ist aber eben nicht mehr als eine Vermutung.
Davon würde ich auch ausgehen. Liegt aber vor allem daran, dass die meisten Vorfälle nicht gerichtlich entschieden werden. Nimmst Du nur die auch tatsächlich verhandelten Fälle als Grundgesamtheit, würde ich schon signifikante Abweichung erwarten.
Warum? Weil das Gericht erleuchteterweise in der Lage ist aus einem Haufen miserabel beschriebener Interpretationen (das ist Deine Aussage) die "Wahrheit" zu deduzieren oder weil je nach Rechtsverdreher Leute sich geschickt rauswinden können? Vor Gericht geht es um Vieles, um Wahrheit oder Gerechtigkeit geht es in der Regel nicht...
Pibach hat geschrieben:
berlinonaut hat geschrieben:Nö, das ist das was Du schreibst. Wenn die Polizei - entgegen ihrer Aufgabe - Fakten regelmässig (fehl-)interpretiert anstatt sie korrekt aufzunehmen - und genau das behauptest Du - macht sie offensichtlich ihren Job nicht richtig. Fragt sich warum. Da fallen mir drei Möglichkeiten ein: Faulheit, Blödheit, Absicht. Wenn Dir eine vierte einfällt - immer her damit.
Ich schreib nur was von Interpretieren ohne zu werten. Es liegt in der Natur von (subjektiven) Interpretationen, dass sie variieren. Insbesondere, wenn die Fälle komplex sind. Unfälle haben auch eine Tendenz, aus komplexen Situationen zu entstehen. Und wenn man davon ausgeht, dass die meisten Teilnehmer bemüht sind, sich angemessen zu verhalten (meine Grundannahme), dann gibt es eben selten eindeutige Schuld, und mit solchen Zuweisungen macht man dann zwangsläufig "Fehler".
Zusammenfassend heisst das: Aufgrund der Komplexität der Dinge kann die Polizei keinen Unfall neutral beschreibend aufnehmen, egal wie sehr sie sich auch bemüht. Ist nicht ihre Schuld, so ist die Welt. Die polizeiliche Unfallstatistik ist daher zwangsläufig nicht nur nicht korrekt sondern sogar schädlich, weil sie einen riesigen Haufen Fehlinterpretationen aggregiert und zur Wahrheit erklärt. Ein Gericht hingegen ist in der Lage gegebenenfalls Jahre später auf Basis eben dieser polizeilichen Fehlinterpretationen und der blässlichen Erinnerung irgendwelcher Zeugen sowie der anwaltlich beratenen Aussagen der Beteiligten neutral und korrekt zu ermitteln, was tatsächlich vorgefallen ist. Pibach hingegen ist in der Lage ohne jede Kenntnis von Fakten oder Zeugenaussagen präzise zu beschreiben und auch zu beurteilen, wie ein Unfall zustande gekommen ist, einfach aufgrund der simplen Grundannahme, dass der Radfahrer nicht schuld sein kann, weil er sich andernfalls selbst gefährdet hätte. Korrekt?

Re: AW: Promillegrenze für Radfahrer

Verfasst: So Aug 31, 2014 5:43 pm
von Pibach
berlinonaut hat geschrieben: Nein, muss er nicht.
Hm. Dann gilt doch aber trotzdem die allgemeine Richtlinie zum Schutzstreifen: "Fahrzeugführer dürfen die Markierung nur bei Bedarf überfahren, wenn dabei Radfahrer nicht gefährdet werden"?

Ansonsten wäre der aufgezeichnete Radstreifen in der Kreuzung ziemlich gefährlich, wenn da jedes KFZ reinziehen darf. Sowas sollte man dann nicht planen.

Finde es in jedem Fall eine Zumutung, wenn der Busfahrer durch den Radstreifen fährt, wenn da Radfahrer einfahren möchten. Er kann sich - unabhängig von irgendeiner Rechtslage - sehr gut denken, dass das extrem gefährlich ist.
Und nebenbei - nur noch mal zur Erinnerung - wissen wir überhaupt nicht, ob die Radfahrerin links oder rechts abgebogen ist und wo genau der Unfall überhaupt passiert ist und schon gar nicht wie. Du nimmst schon wieder Dinge als gesichert an, die lediglich Deiner Phantasie entsprungen sind.
Ich nehme nirgendwo was als gesichert an. Solcherlei Ideen entspringen offenbar irgendwie Deinem Drang, Nonsens zu erdichten. Merkwürdig.
Ich spiele schlicht durch, welche Fälle an dieser Kreuzung mit einer Bus-Radfahrer Situation passieren können und wie wahrscheinlich das - aller Voraussicht nach - sein dürfte. Es ist für die Überlegungen dabei völlig egal, welcher der Fälle da nun wirklich auftrat. Ich behaupte auch nirgendwo, dass es so war.
Pibach hat geschrieben: Du sagst, die Einordnung der Polizei ist falsch. Wie ist also die Richtige?
Bei hinreichender Komplexität ist jede Einordnung subjektiv und wird von anderen abweichen, was man als "Fehler" bezeichnen kann. Und es gibt da i.d.R. keine "absolute Wahrheit" oder "objektive Einordnung". Eine andere Polizeistreife hätte u.U. den Fall ganz anders aufgenommen. Auch Gerichte entscheiden nicht objektiv oder einheitlich. Deren Entscheidungen streuen auch. Ist nur eine Frage, wie komplex die Situation ist. Finde es ziemlich befremdlich, dass Dir das nicht klar zu sein scheint.
egal was wir sagen, falsch wäre.
Mit Ungewissheit und "Fehlern" müssen wir leben. Genau. Es steckt dennoch Informationsgehalt darin. Und man kann damit effizient arbeiten. Das ist ein bekanntes Paradoxon und wird z.B. in der Forschung zur künstlichen Intelligenz oder Wahrnehmunstheorie untersucht.
weil je nach Rechtsverdreher Leute sich geschickt rauswinden können? Vor Gericht geht es um Vieles, um Wahrheit oder Gerechtigkeit geht es in der Regel nicht...
Das finde ich beides zutreffend.

Grundsätzlich muss der Fall nur hinreichend komplex sein, dann unterscheiden sich 2 subjektive Interpretationen (objektive gibt es ja nicht) recht wahrscheinlich. Das gilt selbstverständlich auch für Gerichte. Die Vorgehensweise bei Gericht ist aber auch ganz anders als bei der Polizei.
Zusammenfassend heisst das: ...
Nonsens, ick hör Dir trapsen ;)

Re: Promillegrenze für Radfahrer

Verfasst: So Aug 31, 2014 6:11 pm
von berlinonaut
Pibach hat geschrieben:
berlinonaut hat geschrieben:Das Symptom ist - und da scheinen wir uns ausnahmsweise einig zu sein - dass Radfahrer die STVO grossflächig ignorieren. Eine Folge davon ist laut polizeilicher Unfallstatistik, dass mehr Radfahrer als nötig verunglücken….
Die Polizei erfasst ja zu den Unfällen jeweils die Regelverletzung (nach ihrer Kategorisierung). Dabei wird nicht erfasst, ob die Regelverletzung durch Ignorieren oder Übersehen entstand. Du kannst das so einfach also nicht als Folge des Ignorierens ableiten.
Zum einen ignoriere ich auch etwas, wenn ich es übersehe. Wenn ich z.B. auf der Autobahn ein Tempo 100-Schild übersehe ignoriere ich als Folge davon die Geschwindigkeitsbegrenzung (weil sie mir gar nicht bewusst ist). Ignoriere ich hingegen das Schild, habe ich es zwar wahrgemommen, fahre aber trotzdem zu schnell. Das Ergebnis ist in beiden Fällen das Gleiche: Ich ignoriere die vorgeschriebene Geschwindigkeit.
Pibach hat geschrieben: Sowohl Modell-Überlegungen als auch Studien legen nahe, dass der Beitrag an Unfällen durch Ignorieren von Regeln gering ist.

Siehe z.B. ADFC Studie „Fahrradunfälle mit Todesfolge 2008 bis 2012 - Analyse, Ursachen, Hintergründe“, PDF:

"Es kommen also nicht die jungen und möglicherweise risikobereiten Radfahrer zu schaden sondern die älteren und vermutlich besonnener fahrenden Menschen." (Abschnitt 1.3)
Interessante Studie. Da sind noch einige interessante Fakten mehr drin, z.B. dieser:
1.4 Verursacher von Radunfällen mit Todesfolge
Radfahrer verursachen gut ein Drittel der Radunfälle mit Todesfolge
Was ja im Zuge deiner Theorie der Selbsterhaltung nicht passieren dürfte. Zum Thema "rote Ampeln" ist die Studie etwas ambivalent. In der Übersicht zu den tödlichen Radunfällen 2008 bis 2012 unter Punkt 1.3. ist das Ignorieren roter Ampeln auf Platz 2 der Ursachen mit sechs toten Radfahrern dadurch. In Fünf dieser Fälle hat der Radfahrer die Ampel ignoriert, in einem ein Autofahrer.

Unter 2.4, wo es um Radunfälle allgemein geht, heisst es dann:
2.4 Rote Ampel
Das Fahren über „Rot“ ist nicht nur bei Radfahrern ein häufig zu beobachtendes Fehlverhalten. Es hat als Ursache für Radunfälle aber nur untergeordnete Bedeutung. Die Folie der Berliner Polizei von der Pressekonferenz zu Verkehrsunfällen des Jahres 2012 zeigt, dass andere Fehlverhalten von Radfahrern in weitaus größerem Maß zu Radunfällen führen, als das Fahren über „Rot“.
Aufgelistet werden dann fünf Ursachen, auf Platz 2 liegt "Fehler beim Einfahren in den fliessenden Verkehr" mit 619 Zählern für 2012. Dort dürfte sich wohl die verunglückte 16-jährige aus den letzten Postings auch wiederfinden.


Zum Thema: "Wer verursacht eingentlich Radunfälle sagt die Studie unter 2.1:
Die Verursacherquote von Radfahrern in Berlin liegt derzeit bei etwa 55 % (einschließlich der Eigen- und Alleinunfälle). Sie liegt heute leicht unterhalb dem Niveau der 1980er Jahre und ist seit etwa einem Jahrzehnt konstant bis leicht rückläufig.
Was auch nicht so ganz die These vom unschuldigen Radler stützt, der lediglich ein Opfer der Verhältnisse ist. Leider ist in der Studie die absolute Zahl an Unfällen nicht genannt. In jedem Fall hielte ich es für Vermessen bei einer derart hohen Verursacherquote ohne weitere Begründung zu behaupten
Pibach hat geschrieben: dass der Beitrag an Unfällen durch Ignorieren von Regeln gering ist.
Wie anders sollte man zum Verursacher deklariert werden, als wenn man gegen irgendeine Spielregel verstossen hat (mag sie auch schwachsinnig sein)? Und selbst wenn die Polizei sich mal vertut - von rund 50% auf 0% Quote wirst Du damit nicht kommen.
Pibach hat geschrieben: Hier tendiert die polizeiliche Ergebung auch zu einer Verfälschung, weil sie gehalten ist einen Verursacher zuzuordnen. Das filtert also einen erheblichen Teil der komplexen (multifaktoriellen) Fälle. Ausserdem wird das den in der StVO definierten Ursachen zugeordnet, es gibt aber wesentlich mehr Ursachen.
Es gibt z.B. bei den tödlichen Unfällen die Ausweisung als "Ungeklärt", die in 2% der Fälle gewählt wurde beim Verursacher. Die STVO bemüht sich um Eindeutigkeit, um in möglichst jeder Situation ein eindeutig richtiges und eindeutig falsches Verhalten auf Basis der STVO zu ermöglichen. Es ist also Zweck der Übung, bei einem Unfall hinterher im Idealfall sowohl einen Verursacher als auch eine verletzte Norm zuordnen zu können. Als Ursächlich für den Unfall wird in aller Regel das Ereignis betrachtet, das schwerer wiegt von der Normverletzung her, alternativ manchmal auch das, das früher eingetreten ist. Eine Statistik ist genau wie ein Modell darauf angewiesen, Komplexität zu vereinfachen, um daraus Erkenntnisse gewinnen zu können. Wenn man zu sehr vereinfacht ist das schlecht. Wenn man gar nicht vereinfacht ist das nicht besser - das sind dann Rohdaten, vollständig, aber leider ist nichts daraus zu erkennen.
Pibach hat geschrieben:
und dass sie in Berlin bei knapp 50% der Unfälle mit Radfahrern als Verursacher gelten.
Das soll wohl aussagen, dass sie etwa ausgeglichen selbst Schuld seien.
Diese Art der suggestiven Auswertung hat die Rad-Spannerei ja schon mehrfach kritisiert, weil sie die Eigenunfälle und Rad-Rad-Unfälle beinhaltet. Im mehrjährigen Mittel liegt der Verursacheranteil von Radfahrern auch niedriger, siehe obige ADFC Studie (Abschnitt 2.1).
Nö, siehe ebenda, sie kommt wie oben geschrieben sogar auf 55%.
Die Verursacherquote von Radfahrern in Berlin liegt derzeit bei etwa 55 % (einschließlich der Eigen- und Alleinunfälle). Sie liegt heute leicht unterhalb dem Niveau der 1980er Jahre und ist seit etwa einem Jahrzehnt konstant bis leicht rückläufig.
Richtigerweise merkt sie an, dass Radfahrer genau wie Fussgänger und LKW typischerweise nicht mit ihresgleichen kollidieren im Gegensatz zu Autos, woraus sich eine statistische Abweichung ergibt, die man wiederum auf mannigfaltige Art und Weise einrechnen kann. Was nach Deiner Ansicht nicht in hinreichendem Masse passiert. Kann ich nicht beurteilen.

Die Studie hat übrigens in meinen Augen abseits des Fehlens der Gesamtzahl an Unfällen noch zwei weitere Schwächen: Bei der Quotierung der Unfälle nach Alter fehlt die Bezugsgrösse - wie sich die Radfahrer insgesamt ihrerseits altersmässig quotieren. Dann gibt es noch die Aussage zu den Unfällen bei Dunkelheit. Dort heisst es unter 2.6:

"80% der Unfälle finden bei Tageslicht statt, 4,3% in der Dämmerung, 14,9% im Dunkeln." Erneut fehlt die Bezugsgrösse, wieviel Prozent der Radfahrten bzw. Radkilometer denn im Dunkeln oder in der Dämmerung abgespult werden. Im Radspannereiblog ist ein Video verlinkt, das zumindest die Möglichkeit nahelegt, dass das erheblich weniger sind als 20%: http://www.rad-spannerei.de/blog/2014/0 ... gesablauf/
Potentiell finden also überproportional viele Unfälle im Dunkeln statt und eine Vermutung wäre, dass die Lichtquote der Berliner Radler was damit zu tun haben könnte. Das wäre eine Low Hanging Fruit zur Unfallvermeidug. Schade, dass der ADFC da offenbar kein Interesse dran hat oder Tomaten auf den Augen. Zudem ist die Kategorisierung von "bei Tageslicht" ausweisslich der Grafik eher sommerzeitlich geprägt "Tag" geht von 7:00 bis 19:00 - das stimmt wohl nur für einen Teil des Jahres...


Pibach hat geschrieben:
berlinonaut hat geschrieben: In Wirklichkeit wäre das Symptom durch die Pibachsche Vorgehensweise also gar nicht weg sondern lediglich vom Bug zum Feature deklariert - es heisst also nur anders, geändert hat sich an den Fakten in Wirklichkeit nichts und wohl auch nichts an den Folgen.
Sag ich doch: Beregelung der Radfahrer hat kaum nennenswerten Einfluss - man reduziert im wesentlichen nur deren Quote.

Das heisst Du hast gar kein Interesse daran, die Zahl der Unfälle oder die Zahl der Verletzten und Toten zu reduzieren, Du willst nur, dass sie nicht schuld sind? Übrigens: Wenn legale Anarchie im Strassenverkehr dazu führt, dass mehr Radfahrer auf den Strassen unterwegs sind (was zu beweisen wäre) sollte das wiederum statistisch zu einem linearen Anstieg der Unfallzahlen sowie der Verletzten und Toten führen. Nicht sehr erspriesslich.
Pibach hat geschrieben: Ursachen des Symptoms „viele Radfahrer ignorieren diverse Verkehrsregeln“ sind u.a., dass die Infrastruktur und die Regeln nicht wirklich angepasst sind auf die Radfahrer.
Da gebe ich Dir recht, allerdings nur teilweise. Meine Ignoranz der STVO als Radfahrer beschränkt sich im Wesentlichen auf solche Infrastrukturfälle. Allerdings nicht nur - gelegentlich ist es schlicht Bequemlichkeit. Und Verkehrsregelignoranz die nicht auf Infrastruktur rückführbar ist sieht man täglich allerorten in massivem Ausmass. Nicht nur in Berlin und nicht nur bei Radfahrern. Auch in Städten mit hervorragender Radinfrastruktur wie Münster. Wenn hingegen die Ignoranz von Regeln schlicht der Tatsache geschuldet ist, dass es Regeln gibt wird es albern. Wenn Radfahrer mangels Regeln keine verletzen können werden sie es logischerweise auch nicht tun. Da Autofahren aber nicht illegal ist werden sich auf absehbare Zeit diverse Verkehrsmittel die Strassen teilen müssen und daher wird es ganz ohne Verkehrsregeln wohl nicht gehen.

Re: AW: Promillegrenze für Radfahrer

Verfasst: So Aug 31, 2014 6:56 pm
von berlinonaut
Pibach hat geschrieben:
berlinonaut hat geschrieben: Nein, muss er nicht.
Hm. Dann gilt doch aber trotzdem die allgemeine Richtlinie zum Schutzstreifen: "Fahrzeugführer dürfen die Markierung nur bei Bedarf überfahren, wenn dabei Radfahrer nicht gefährdet werden"?
Da ist ja auch kein Radfahrer - wenn der wartet, wie es die STVO vorschreibt. Darauf darf sich der Busfahrer verlassen.
Pibach hat geschrieben: Ansonsten wäre der aufgezeichnete Radstreifen in der Kreuzung ziemlich gefährlich, wenn da jedes KFZ reinziehen darf. Sowas sollte man dann nicht planen.
Der Radstreifen darf - bedauerlicherweise - zu allem möglichen benutzt werden, nicht nur im Kreuzungsbereich. Unterscheidet sich auch noch mal je nachdem ob da eine gestrichelte oder eine durchgezogene Linie ist. Im konkreten Fall verläuft der Radstreifen parallel am Rand der vorfahrtsberechtigten Strasse. Der Radfahrer kommt aus einer Querstrasse und ist wartepflichtig. Der Radstreifen gehört zur Vorfahrtsstrasse und darf unter bestimmten Voraussetzungen vom Busfahrer genutzt/überfahren werden, wenn kein Radfahrer auf der Hauptstrasse fährt. Der Radfahrer, der einbiegen will, muss warten.
Pibach hat geschrieben: Finde es in jedem Fall eine Zumutung, wenn der Busfahrer durch den Radstreifen fährt, wenn da Radfahrer einfahren möchten. Er kann sich - unabhängig von irgendeiner Rechtslage - sehr gut denken, dass das extrem gefährlich ist.
Der Radfahrer, ja. Wir lernen daraus: Er muss nicht nur warten, es ist auch gesünder. Was von Anfang an klar war.