Um da zumindest mal irgendwelche Zahlen reinzubringen, auch wenn da ein sehr grobes Schätzeisen in Verbindung mit Extremgaukelei zum Einsatz kommt:
Ausweislich der Berliner Unfallstatistik für 2014 tauchen bei den Unfallursachen der selbstverschuldeten Radfahrunfälle folgende Zahlen auf:
Das Befahren von Gehwegen in Verbindung mit falschem Verhalten gegenüber Fußgängern (96; + 17,07%) führt oft zu Verkehrsunfällen.
Vorfahrts- (182; + 10,30%) und Rotlichtmissachtungen (197; + 1,55%) sowie falsches Verhalten beim Abbiegen (184; - 2,13%)
Bei den Fremdverursachten Unfällen wiederum:
Fehlverhaltensweisen beim Abbiegen (1595;+ 15,0%)
Wenn wir - einfach um eine Zahl zu nehmen - eine frei erfundene 10%-Quote der Ampelquerungen aller Radfahrer in Berlin an allen Ampeln im Schnitt bei rot annehmen (und demzufolge 90% bei grün - siehe dazu [1]) und weiterhin hilfsweise mangels besserer Zahlen als grobe Vereinfachung annehmen, dass
alle fremdverschuldeten Unfälle an für Radfahrer grünen Ampeln durch Abbiegen passiert seien und diese Abbiegeunfälle auch ausschliesslich Grünradler an Ampeln beträfen (was definitv nicht zutrifft, das dürfte in Wirklichkeit nur ein unbekannter Bruchteil dieser Zahl sein) und ausserdem annehmen, dass mit dieser Unfallursache alle "Grünradlerunfälle" abgedeckt sein würden (keine Ahnung ob das stimmt) - dann würde sich die These vom sichereren Rotradeln bereits pulverisieren. Und das im laut Pibach extrem "rotradelfreundlichen" Berlin. Mit einer Grünradlerunfallquote, die in jedem Fall deutlich höher angenommen ist als in Realität.
Das Ergebnis steht und fällt mit der Rotradlerquote, die wir schlicht nicht kennen. Was wir aber als gesichert annehmen können ist, dass heute wohl überwiegend die "erfahreneren" Radler (absichtlich) bei Rot radeln (plus einige Verpeilte und eine erkleckliche Anzahl Selbstüberschätzer und Nichtnachdenker ), wohingegen die unerfahreren und unsichereren Radler an roten Ampeln eher halten dürften.
Würden diese standardmässig ebenfalls bei rot radeln dürfte das vermutlich die Unfallquote nach oben treiben (selbst wenn wir als weitere Vereinfachung annehmen, dass die Unfallfolgen bei Rot- und Grünunfällen im Mittel identisch seien, was ich zumindest für unwahrscheinlich bzw. überprüfenswert halten würde).
Würden wir bei der Rotradelquote all die Ampeln ignorieren, die gemäss Idaho-Stop und vergleichbaren Regeln bereits heute ohne weiteren Wege-Umbau gefahrlos freigegeben werden könnten zum Fahren bei rot sähe es noch dramatisch (!) schlechter für die Gesundheitsquote der Rotradelfraktion aus. Spätestens unter dieser Annahme würde ich die oben erfundene 10% Quote durchaus für eine halbwegs zulässige konservative Schätzung halten - abgesichert ist sie natürlich trotzdem nicht.
Das ganze Konstrukt ist aufgrund der zahlreichen Annahmen und Vereinfachungen alles andere als exakte Wissenschaft und ganz sicher inhaltlich nicht korrekt - es könnte aber zumindest dabei helfen ein Gefühl für mögliche Zahlenverhältnisse zu entwickeln. Dass einige User hier der Polizeistatistik grundsätzlich misstrauen ist noch mal ein anderes Thema. Für ein Grobabbild ist es ja vielleicht auch für diese User akzeptabel - wenn jemand bessere Zahlen hat: Immer her damit.
Die Statistik mit den Zahlen von 2014 findet sich hier:
https://www.berlin.de/polizei/aufgaben/ ... statistik/
[1] Beim nachträglichen Googeln nach einer Zahl in Sachen Rotradlerqoute kam ich u.a. auf den Tagesspiegelbericht zur Fahrradstaffel in Mitte, der die von mir initial erfundenen 10% grob zu bestätigen scheint:
Dabei ist die Masse der Radfahrer besser als ihr Ruf, wie Staffelchef Sascha Ziegler bestätigt: „80 bis 90 Prozent verhalten sich regelkonform.“ Tatsächlich sank die Quote der von der UDV – von studentischen Hilfskräften, also ohne Polizeipräsenz – beobachteten Rotradler binnen Jahresfrist in Mitte von 15,2 auf 10 Prozent. Aber auch in Neukölln ging sie zurück, nämlich von 12 auf 9,4 Prozent.
http://www.tagesspiegel.de/berlin/fahrr ... 71376.html
Also ist tatsächlich bereits heute Rotradeln alles andere als ungefährlicher als Grünradeln.
Bei Freigabe "ungefählicher" und überflüssiger Ampeln für Radler (Idaho o.ä.) dürfte die Rotradlerquote dann deutlich unter diese 10% sinken (da nur noch an den verbliebenen "verbotenen" Ampeln gemessen), die Unfallzahl an "verbotenen" roten Ampeln aber vermutlich nur in geringem Masse oder gar nicht. Also weiterhin kein ungefährlicheres Rotradeln gegenüber Grünradeln sondern das Gegenteil.
Auch an anderer Stelle gibt es Zahlen zur Rotfahrerei - die sind aber nicht sinnvoll für unsere Zwecke interpretierbar IMHO; immerhin stehen sie nicht grundsätzlich im Widerspruch zur 10%-Annahme, eher deuten sie bei aller Vorsicht sogar auf eine real niedrigere Quote bundesweit hin, da hier ja vermutlich eher die fahrradaffininen erfahrenen Radler geantwortet haben und man daher mit einer Missweisung rechnen sollte :
An der Internet-Umfrage beteiligten sich etwa eintausend vermutlich fahrradaffine Menschen und gaben Auskunft über ihre Verkehrsmittelnutzung und das Verhalten der Radfahrer im Verkehr. Eine Frage bezog sich darauf, wie häufig Radfahrer rote Ampeln missachten. 39,4% der Befragten gaben an, grundsätzlich nie rote Ampeln zu überfahren. 40,4% sagten, dass sie selten das Rotlicht missachten und 16% tun das gelegentlich. 4,3% der Interviewten hatten die Selbsteinschätzung, dass sie häufig die Ampelzeichen missachten.
Quelle
http://www.rad-spannerei.de/blog/2015/0 ... -ampeln-2/ das pdf ist hier zu finden:
http://www.fahrrad.de/info/content/uplo ... tzung1.pdf
Zusammengefasst heisst das:
- als grobe Annäherung scheint eine reale Rotradelquote von 10% für Berlin heute als Annahme statistisch vertretbar zu sein (ohne dass Idahostop o.ä. Ampelfreigaben existieren würden)
- selbst bei einer eindeutig extrem deutlich überhöhten Annahme der Grünradlerunfälle (ohne Verschulden der Radler) zugunsten der Rotradler sind die Rotradlerunfälle heute deutlich überproportional: 1600 Unfälle für 90% Verkehrsanteil vs 200 Unfälle für 10% Verkehrsanteil.
- bei sinnvoller Freigabe von Ampeln nach Idaho oder Paris-Modell dürften sich die Zahlen vermutlich deutlich weiter zuungunsten der Rotradler verschieben (bei den dann verbleibenden micht freigegeben Ampeln).
- desgleichen bei Rotradeln durch alle Radler anstatt wie heute nur durch die "Erfahreneren".
Ergo: Die Annahme Rotradeln sei sicherer als Grünradeln ist aller Voraussicht nach falsch und wird durch die vorhandenen statischen Zahlen deutlich widerlegt.
(Edith wegen: grammatikalische/sprachliche Präzisierungen zum leichteren Verständnis, keine inhaltliche Änderung)