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Radfahren in Berlin

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Pibach
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Re: Radfahren in Berlin

Beitrag von Pibach »

Das stimmt.
Mir ist aber bei der Diskussion der vielen kleinteiligen Maßnahmen aufgefallen, dass die im Grunde alle kaum relevant sind. Die Qualität für Radfahrer hängt imho eben von ganz anderen Dingen ab. Und da sehe ich an erster Stelle das kooperative Verhalten mit Autofahrern und an zweiter Stelle, die intermodale Kombinierbarkeit der Verkehrsmittel.

Ob ich dagegen auf einem abmarkierten Schutzweg radle oder nicht, und ob man Rotampelrechtsabbiegen für Radfahrer nun durch Grünpfeile explizit erlaubt oder einfach toleriert usw ist eigentlich Makulatur. Diese Maßnahmen sorgen in der Tendenz auch eher für Verstimmung und Dissonanz zwischen den Verkehrsteilnehmern - jedenfalls kein Beitrag zu gegenseitigem Verständnis und Rücksichtnahme. Und sie machen den Verkehr insgesamt nicht effizienter sondern verteilen die Infrastruktur nur etwas anders und verursacht erst mal Kosten.
Pibach
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Re: Radfahren in Berlin

Beitrag von Pibach »

Beispiel Moritzplatz. Der wurde nun umgestaltet. Das ist erfreulich. Aber:
in der top-30 Liste der Berliner Gefahrenstellen hat sich nichts getan - wie diese Petition nachwies.
Koordinations- und Verwaltungsprobleme blockieren weitere Maßnahmen - Geld ist noch nicht mal der Engpass.
So geht das Kleinklein schleppend voran. Seit Jahren. Und das wird sich auch nicht grundsätzlich ändern. Ein paar Maßnahmen hier und da. Ein tolles Vorzeigeprojekt (den Radschnellweg). Aktionistische Parolen, wie etwa in diesem Bericht. Insgesamt bringt das aber natürlich nur minimal was.

Dass z.B. in Kreuzberg sich der Radfahranteil so explosionsartig vermehren konnte, 159 Prozent Zuwachs 2001-2014 (hier verlinkt), hat mit solcherlei Maßnahmen auch offensichtlich rein garnichts zu tun.

Womit also dann?

Ich denke, das ist wohl eher einer sich wandelnden Grundhaltung in der Gesellschaft zuzuschreiben. Zumindest in bestimmten Bevölkerungsschichten - und die wohnen offenbar eher in den Stadtkietzen. Dort sind es die kurzen Wege, die das Radfahren praktisch machen, während u.a. die Parknot, dort das Autofahren weniger attraktiv macht. Das zusammen sorgt dann für hohe "Durchmischung" - Autofahrer sind seltener, sind selber auch fast immer Radfahrer und das resultiert in einer höhere Toleranz der Verkehrsteilnehmer. Nicht zuletzt spielt wohl auch das nachsichtige Verhalten der Polizei gegenüber Bagatelldelikten eine Rolle.
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Re: Radfahren in Berlin

Beitrag von berlinonaut »

Sehe ich anders. Es liegt in der Natur der Sache, das für den überwiegenden Teil der Leute im Moment das Fahrrad eine Alternative vorrangig für Strecken zwischen 1 und vlt. 10 km ist, wenn überhaupt. Darunter wird gelaufen, darüber Auto oder BVG gefahren. Und 10 km sind schon die sportlicheren - für die meisten ist bei 4 - 5 km Ende, wenn sie überhaupt Rad fahren. Das kann sich durch Pedelecs dramatisch nach oben verschieben.

Das zweite ist Angst - ich kenne reichlich Leute, die Angst haben in der Berliner Innenstadt Rad zu fahren - egal ob zu Recht oder zu unrecht. Hier kann gute Infrastruktur eine Menge bewirken, sowohl objektiv, aber auch auf der subjektiven Empfindungsseite.

Das dritte ist Komfort. Gegen Kälte und Regen kann man nur eingeschränkt was tun und das kostet Geld (Kleidung) und "gutes Aussehen" (ebenfalls Kleidung). Infrastruktur hilft auch hier ein bisschen - angenehme Wege und gute Abstellflächen machen das Radeln komfortabler. Gleichzeitig ist aber auch ein Hebel das Autofahren unkomfortabler zu machen: Weniger und kostenpflichtige Parkplätze, Geschwindogkeitsbeschränkungen, weniger Fahrspuren für KFZ etc.

Dass im innerstädtischen Kiezbereich, wo mehr Leute unterwegs sind als in den Aussenbezirken, die Wege kürzer und die Autoparkplätze knapper mehr Rad gefahren wird ist völlig logisch. Auch in diesen Wohnlagen kenne ich aber reichlich Leute, die gar nicht auf die Idee kämen sich auf ein Fahrrad zu setzen.
Allerdings gebe ich Dir recht dass der insgesamt steigende Radleranteil nicht wegen sondern trotz der Politik von Senat und Bezirken entsteht. Die versagen auch hier wieder mal auf ganzer Linie. Allerings geschehen noch Zeichen und Wunder: Ich habe heute gesehen, dass der Abschnitt der Sonnenallee, auf dem ich neulich verunfallt bin, gerade eine Bus- und Radspur bekommt. Jahre überfällig und für mich leider zu spät, aber immerhin. Das führt dazu, dass der seitliche Parkstreifen rechts dort entfällt - ich bin sehr gespannt, ob das von den Autofahrern akzeptiert wird...
Im Gegensatz zu Dir stehe ich Radstreifen und sogar Hochbordradwegen nämlich positiv gegenüber.

Insgesamt ist vieles vom Erleben abhängig - wer nie Rad fährt in der Stadt kann gepflegt seine Vorurteile dagegen kultivieren. Wer es ein- bis mehrmals tut stellt fest: Tut gar nicht weh. Und hat sogar viele Vorteile. Vorrangig geht es also darum, die Leute erst mal auf's Rad zu bringen. Und alles, was dazu beiträgt ist gut - ob Sternfahrt, bessere Infrastruktur oder bessere Aufklärungsquote im Diebstahlsfall.
Pibach
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Re: Radfahren in Berlin

Beitrag von Pibach »

Ja, alles richtig. Aber die extrem unterschiedlich Entwicklung des Radfahranteils zeigt auf, dass es da offenbar Kräfte gibt, die viel stärker sind alles das, worüber man normalerweise diskutiert. Kreuzberg hatte 159% Zuwachs. In den anderen "Kietzbereichen" sieht das vergleichbar aus. In anderen Stadtteilen ist garnichts passiert. Wie lässt sich das erklären? Wenn wir das verstehen, wissen wir auch besser, wie man es beeinflussen kann. Mit dem Kleinklein der Infrastruktur hat es jedenfalls - in dieser Größenordnung - nicht viel zu tun. Auch nicht mit Kälte&Regen oder dem Pedelecboom.
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Re: Radfahren in Berlin

Beitrag von berlinonaut »

Pibach hat geschrieben:Kreuzberg hatte 159% Zuwachs. In den anderen "Kietzbereichen" sieht das vergleichbar aus. In anderen Stadtteilen ist garnichts passiert. Wie lässt sich das erklären?
1. Parkplätze und KFZ-Kosten
2. Image des Fahradfahrens
3. im Innenstadtbereich leben die jüngeren und aktiveren Menschen (und das in dichterer Bebauung), die auch alles per Rad erreichen können und daher nicht zwingend ein Auto brauchen.
4. Im Aussenbereich wohnen" eher ältere" (35+) mit "Familie" - die haben aus vielerlei Gründen eh ein Auto (wg. weiterer Wege und wg. Transport und besserer Einkommenssituation) und nutzen es gewohnheitsmässig. Dort ist einfach das eigene Auto das Standardfortbewegungsmittel und das wird es baw auch bleiben.
5. Wer per Rad in die Stadt pendelt wird dort noch mal gezählt - das sind einige. Von der Innenstadt nach aussen pendeln nur wenige - dort werden also fast nur Radfahrer gezählt, die da auch wohnen.
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Re: Radfahren in Berlin

Beitrag von Pibach »

Punkte 1.+3.-5. waren aber auch schon 2001 so. Es muss ja was sein, was sich verändert hat. Unter den genannten Punkten wäre das nur der 2.
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Re: Radfahren in Berlin

Beitrag von Pibach »

berlinonaut hat geschrieben:Gleichzeitig ist aber auch ein Hebel das Autofahren unkomfortabler zu machen: Weniger und kostenpflichtige Parkplätze, Geschwindogkeitsbeschränkungen, weniger Fahrspuren für KFZ etc.
Wäre nicht mein Ding.
Schikanen bzw. frustrierte Verkehrsteilnehmer sind keine gute Grundlage für ein kooperatives Miteinander.
Lieber das Autofahren sehr effizient machen - die Alternativen noch effizienter!
Effiziente Mobilität ist einer der entscheidenden Faktoren für hohe Lebensqualität.
Und vor allem der Parktplatzsuchverkehr hat enormen Anteil im Ballungsgebiet. Bei mir (Kreuzberg) muss man ca 15 min um den Block kurven, um nach 18 Uhr einen Parkplatz zu finden. Plus im Schnitt ca 400m Weg laufen von und zum Auto, so etwa. Das war allerdings auch schon 2001 (und vorher) so, Autoverkehr und Parkplatzsituation haben sich in der Zeit m.W. nicht wesentlich verändert.
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Re: Radfahren in Berlin

Beitrag von Pibach »

berlinonaut hat geschrieben: 5. Wer per Rad in die Stadt pendelt wird dort noch mal gezählt - das sind einige.
Also nach meiner persönlichen Beobachtung ist das verschwindend. Kein einziger meiner Bekannten die außerhalb des Rings wohnen würde auch nur auf die Idee kommen, mit dem Rad in die Stadt zu fahren. Obwohl einige durchaus radbegeistert sind und das auch sportlich schaffen würden. Mit dem Fahrrad wird nach meiner Beobachtung fast ausschließlich andersrum gependelt, also zu Flanierfahrten im Sommer ins Berliner Umland. Da radelt man aber nicht unbedingt im Stadtgebiet, sondern fährt mit BVG/DB raus, für solche Strecken lohnt ja dann auch das Fahrradticket. Die anderen Distanzpendler, die ich kenne, sind autolos, und wohnen in einem der Kietze, wo das geht (und sozial nicht geächtet wird) und gehen Berufen nach, wo man auch mal verschwitzt oder durchnässt anradeln kann. Wer außerhalb wohnt, hat praktisch immer ein Auto im Hausstand verfügbar.
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Re: Radfahren in Berlin

Beitrag von derMac »

Pibach hat geschrieben:Effiziente Mobilität ist einer der entscheidenden Faktoren für hohe Lebensqualität.
Auch wenn sich Berlinonaut zu recht gleich über die OT-Metadiskussion beschweren wird: Lebensqualität ist vor allem, wenn man (außer zum Vergnügen) Mobilität möglichst wenig braucht. Nicht wenn ich möglichst schnell irgendwo hinkomme sondern wenn ich da gar nicht hin muss steigt die Lebensqualität. Die meisten Menschen wünschen sich (im Alltag) nur deshalb eine effektive Mobilität, weil sie dazu "gezwungen" werden. Die Mehrheit dürfte es aber lieber unhektisch haben wollen.

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Re: Radfahren in Berlin

Beitrag von Pibach »

Genau so siehts aus. In der Glücksforschung werden kurze Arbeitswege als einer DER Faktoren herausgestellt. Wobei das allerdings zeitlich gemeint sein dürfte. Die genaue Publikation dazu müsste ich raussuchen (ist aber glaub ich offensichtlich genug), aber genau deswegen hatte ich das oben angemerkt.

"Gezwungen" werden die Menschen aber nur bedingt. Lebens- und Arbeitsabläufe werden komplexer - und internationaler. Es werden immer mehr und weitere Wege zurückgelegt. Mobilität, auch weil es so leicht geht, wächst als Erfordernis. Viele wählen das aber auch "freiwillig", Nah- und Fernreisen sowie Städteurlaube werden immer gefragter. Und ansonsten wohnen viele, selbsgewählt und staatlich subventioniert, fernab ihres Arbeitsplatzes im Grünen. Wie auch immer, wollen alle dabei möglichst "effizient" voran kommen. Wenn Du magst definiere "stressfrei" da mit rein als eine Bewertungsgröße. Dann passt das. Und weniger Autoanteil sollte den Stressfaktor reduzieren. Und sportliches Mitpedalieren die Lebenszeit verlängern. Das sind ja wesentlichen Ziele dabei.
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