"Kinderwagenräder unter Giraffenstangen", so habe ich das "Ding" wahrgenommen, wie es Nachbars Saab-Cabrio-Fahrer - nachdem er seine Kinder zur Waldorf-Schule gefahren hatte - aus dem Kofferaum zog und nach einigen Umständlichkeiten zum Fahrradfahren benutzte.
Ich suchte nach einem richtigen Fahrrad.
Die Fehlkauferfahrung hatte ich schon hinter mir, eine Art Ostsee-Mietrad mit 5-Gang-Schaltung, wovon der erste und der letzte Gang ging. Meistens. Manchmal auch garnicht mehr.
Ich klapperte also schon länger Foren ab, hatte kreuzzugartige Diskussionen über die richtige Schaltung gelesen, hatte alsbald empört die Pedelecs als fahrrad-unethisch abzulehnen gelernt, begann Komponentenlisten aufzustellen, schaute mir Sprengzeichnungen von Planetengetrieben an und verstand, dass man Schrauber werden muß, wenn man die eierlegende Wollmilchsau haben will.
Durch einen völligen Zufall bin ich dann neulich bei Youtube auf ein Video eines Montague Boston 8 gestoßen und war plötzlich elektrisiert. "Hängengeblieben" war ich zuerst an dem ungewöhnlichen Rahmendesign. Dann kapierte ich, daß man das Gerät auch klein machen konnte und begriff: von den 70er-Jahre-Klapprädern meiner Jugend war man wohl weg.
Ich stöberte durch die Videos von NYCEwheels und staunte immer mehr: über Speed, über Effizienz, über Style, über das Fasziniertsein, übers Praktische... Verschiedene Marken tauchten auf, ich lernte über den Streit der Hons und den Preis der Bernds, sah fasznierende Gabeltechnik beim Birdy und abnorme Schaltungsgrößen bei manchen Speedbikes.
Anschließend ging alles weitere schnell: Ich verstand, daß dieses komische Rad vom Nachbarn keine Marotte war, sondern einen Zweck hatte. Und der besteht im S-Bahn-Fahren. Er fährt ein Brompton, trägt es in die S-Bahn - und parkt es sonntags morgens beim Bäcker durch Umklappen des Hinterrades - faszinierend.
Als Software-Developer lasse ich mich von schönen Ideen und ausgeklügelten Konzepten faszinieren, Durchdachtes und Effizientes aber auch Hintergründiges haben mich immer schon erfreut. Ich wollte nun Ausprobieren.
Dann machte ich im Fahrrad-Supermarkt die gleiche Erfahrung wie manch anderer hier: "Bin ich falsche Zielgruppe". Alles, was interessant sein könnte, gab es nur in homöpatischen Dosen, vom Rest dafür die schiere Masse. Mittelmäßig enttäuscht fand ich mich wieder - in meinem Auto.
Letzten Samstag war ich dann beim Fahrradhändler um die Ecke. Tatsächlich hatte der 2 Falträder. Sehr freundlicher, engagierter Mensch, aber mit einem unerklärlichen Hang zur 24" Variante. Waren es meine grauen Haare, die mich zum Senior machen und ihn auf den größeren Comfort des größeren Durchmessers verweisen liessen?
Markenmäßig ist er durch seine Einkaufsgenossenschaft gebunden an Dahon, was ihn zu der steilen Aussage verleitete, an den Terns wären noch viele Fehler, die nur Fachleute sehen würden. Ich paddelte ein wenig auf und ab, unter anderem ein Gerät der Marke "Falter", aber leider nichts, was in mir Emotionen weckte.
Nun sitze ich hier und langweile Euch. Und hoffe gleichzeitig, daß ich irgenwie rauskriege, was ich will.
Was stelle ich mir also eigentlich vor?
- Das Ding muß in der S-Bahn klein vor den Füßen stehen.
- Im Büro hab ich einen Aufzug und Platz unter dem Schreibtisch.
- Licht soll es haben, ich bin ein gesetzestreuer Bürger und respektiere die StVO.
- Schutzbleche gegen nassen Dreck müssen auch sein, aber richtige.
- Aber ein gewisses Maß Eitelkeit sollte das Teil ebenso befriedigen - schwarze Felgen oder so...
- Nabe lieber als Kette, Alfine mag ich mehr als Nexus, Rohloff find ich klasse aber zu teuer.
- Einstellbarer Vorbau mit Schnellspanner schafft die Chance zum Haltungswechsel wenn der Rücken ans Alter apelliert.
- Und ein Gepäckträger erspart mir den Rückgriff auf die Ostsee-Fehlkauf-Reminiszenz, wenn meine mir Angetraute die sonntägliche Ausfahrt befiehlt.