Pibach hat geschrieben: ↑Sa Aug 26, 2017 10:21 pm
Die PKW-Fahrleistung der PKW-Besitzer unterscheidet sich statistisch gar nicht so groß; bis zu 20%
(
Quelle)
Hm, eine Untersuchung von Check24, die im Focus veröffentlicht wurde - ich habe erhebliche Zweifel.
Methodisch:
Das sind die Ergebnisse der Nutzungsanalyse des unabhängigen Vergleichsportals Check24, das dazu alle im Jahr 2013 von Privatpersonen über check24.de abgeschlossenen Kfz-Versicherungen für Pkw analysiert hat. Ausgewertet wurden die Angaben der Versicherungsnehmer zu ihrer jährlichen Fahrleistung, die zur Policierung einer Kfz-Versicherung notwendig sind.
Im Prinzip könnte das Ergebnis der Untersuchung auch lauten:
"Ein grosser Teil der privaten KFZ-Versicherten gibt bei Vertragsabschluss über Check24 eine jährliche Fahrleistung von gut 10.000km oder gar weniger an."
Was eine völlig andere, aber deutlich präzisere Aussage ist. Da dürfte eine erhebliche Missweisung drin sein. Gründe:
- erfasst werden nur Kunden von Check24. Das ist nur ein Ausschnitt der Bevölkerung und zwar Menschen, die erstens online-affin sind und zweitens sparen wollen.
- daraus ergibt sich, dass durch "Vielfahrer" die km-Leistung tendenziell zu niedrig angegeben werden könnte (dann wird die Versicherung billiger). Unter 10.000 km ist meiner Erinnerung nach der Spareffekt nicht mehr besonders gross, andersrum hingegen schon. Weniger als 10.000 geben wiederum nicht so viele an, weil dann wäre ja offensichtlich, dass man eigentlich gar kein Auto braucht und ausserdem fährt man ja vielleicht doch mal mehr... Und natürlich ist die Hemmschwelle zu bescheissen bei einem Onlineportal geringer als wenn Dir ein Mensch gegenüber sitzt.
- Firmenwagen, die teilweise erhebliche km-Leistungen erreichen, werden nicht berücksichtigt, ebenso wenig Dienstwagen mit erlaubter Privatnutzung. Speziell letztere gibt es aber auf dem Land erheblich (!) häufiger als in der Stadt und sie werden bei 1%-Versteuerung und frei tanken auch bei Privatnutzung entsprechend viel gefahren.
- auf dem Land haben sehr viele Haushalte mehrere Autos - das kommt in der Stadt kaum vor. Da gibt es den Zweitwagen für die Ehefrau (das deutlich weniger km macht als das Erstauto), und oft genug (weil der Stellplatz ja kein Problem ist) das Cabrio mit Saisonkennzeichen, das Wohnmobil, das Spassauto, das Motorrad. All diese werden tendenziell wohl eher über check24 versichert, weil da eher der Preis zählt als beim Erstwagen. Zumal auf dem Land Leute vielfach "ihren" Versicherungsmakler haben - man kennt sich. Solche persönlichen Beziehungen gibt es in der Stadt deutlich weniger. Über den läuft dann (aus Gewohnheit und sozialen Zwängen mindestens der Erstwagen, den Zweit- oder Drittwagen kann man leichter unauffällig über Check24 versichern
- zusätzlich müssten bei mehreren Autos pro Halter deren Fahrleistungen aggregiert werden.
- etc. etc.
Kurz: Die Aussagekraft der Auswertung halte ich für sehr eingeschränkt. Neben allem anderen auch, weil der komplette gewerbliche Verkehr ausgeblendet wird vom Handwerker über den Versicherungsvertreter im Aussendienst bis hin zum Spediteur. Da müsste es hoffentlich was geben, was aussagekräftiger ist.
Pibach hat geschrieben: ↑Sa Aug 26, 2017 10:21 pm
Allerdings hat man erheblichen Pendleranteil in den Ballungsräumen. Da zählt die Fahrleistung für das Umland, die Strecke und deren Unfälle aber für das Ballungsgebiet. Andersrum gibt es das zwar auch, z.B. wenn Großstädter am WE rausfahren, das ist aber vergleichsweise wenig und auch nicht so unfallträchtig.
Da ist wohl was dran. Allerdings gibt es erhebliche Mengen an Pendlern, die eben nicht in Ballungsgebiete pendeln sondern auf dem Land bleiben. Die durchschnittliche Pendelstrecke in Deutschland beträgt laut altuellsten Zahlen 16,9 km einfach [siehe 1] - das macht allein über 8000km/Jahr. Ich kenne allerdings auch Leute, die schrubben rein für's Berufspendeln über 30.000km jährlich (keine Aussendienstler oder so was, fixer Arbeitsplatz) und das seit Jahren. Und einige, die eine Zeit lang noch erheblich weiter fuhren. Und sämtlichst nicht in eine Grosstadt einpendelten. Da ist dann aber jeweils erheblicher Autobahnanteil mit drin (und dort herrscht bekanntlich das geringste Unfallrisiko). Zum Pendeln gibt es zahlreiche sehr interessante Untersuchungen und Berichte, allerdings mit teils sehr widersprüchlichen Aussagen (führt aber leider km-weit von unserem Thema weg
):
http://www.spiegel.de/wirtschaft/servic ... 77441.html
https://www.lecturio.de/magazin/pendelr ... ur-arbeit/
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/w ... 68425.html
https://www.welt.de/wirtschaft/article1 ... ndler.html
https://www.zukunft-mobilitaet.net/8840 ... ur-arbeit/
Möglicherweise ist die regionale Infrastruktur sowohl an Arbeitsplätzen als auch an Verkehrsmitteln und Verkehrswegen für das Pendelverhalten ausschlaggebender als zeitliche Faktoren. So müssen weniger als 10 % der Erwerbstätigen in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg täglich mehr als 25 Kilometer zur Arbeit fahren. Dennoch benötigen über 40 % der jeweiligen Stadtbewohner mindestens eine halbe Stunde für den Weg zur Arbeit, obwohl sie mehrheitlich eher kürzere Strecken zurücklegen müssen. Umgekehrt zeigt sich die Sogwirkung des großen Arbeitsplatzangebotes einer Großstadt wie Berlin: Von den in Brandenburg lebenden Erwerbstätigen müssen 22 % täglich das Bundesland wechseln (Bundesdurchschnitt 5 %). Rund ein Viertel von ihnen hat deshalb einen täglichen Arbeitsweg von mindestens 25 Kilometern pro Wegstrecke. Entsprechend benötigen Brandenburger mit einem Anteil von 36 % häufiger als Erwerbstätige aus anderen Ländern eine halbe Stunde und länger für den Weg zur Arbeit. Im Bundesdurchschnitt trifft dies nur auf gut ein Viertel (26 %) zu und von den badenwürttembergischen Erwerbstätigen müssen nur 21 % mindestens eine halbe Stunde pendeln, obwohl sie in einem großen Flächenland leben. Hier sind die Arbeitsplätze nicht auf einen Standort konzentriert, sondern auf mehrere Zentren (Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe, Freiburg, Ulm) über das Land verteilt.
Auch bei der Verkehrsmittelwahl werden Unterschiede deutlich: In den Stadtstaaten Berlin und Hamburg mit ihrem gut ausgebauten Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln nutzen immerhin 44 % beziehungsweise 41 % der Pendler diese Möglichkeit. Umgekehrt fahren vier von fünf saarländischen Erwerbstätigen mit dem Auto zur Arbeit. Besonders fahrradbegeistert sind die Bremerinnen und Bremer, von denen 20 % dieses Verkehrsmittel für den Arbeitsweg wählen.(...)
Sehr kurze Pendelzeiten unter 10 Minuten sind überraschenderweise eher in ländlichen Räumen ohne ein größeres Oberzentrum verbreitet. Dort benötigen knapp 30 % der Erwerbstätigen maximal 10 Minuten zum Arbeitsplatz. Ähnlich sieht dies in den Kreisen außerhalb der Kernstädte der verstädterten Regionen aus. In den Ballungsräumen außerhalb der Kernstädte haben nur gut 22 % so kurze Pendelzeiten. Erwerbstätige aus den Kernstädten haben noch seltener kurze Pendelzeiten unter 10 Minuten mit Anteilen von 15 % in den Ballungsräumen und 20 % in den verstädterten Regionen.
In den Zentren nutzt nur rund jeder zweite ein Auto auf dem Weg zur Arbeit. In den sonstigen Gebieten fahren mindestens 70 % der Erwerbstätigen mit dem Pkw zur Arbeit, unabhängig davon wie weit dieser Weg ist. In den Zentren der großen Ballungsräume werden dafür die öffentlichen Verkehrsmittel noch häufiger genutzt als in den verstädterten Regionen: Ein knappes Drittel (31 %) benutzt dort Busse und Bahnen. Mehr als die Hälfte davon ist mit U- und Straßenbahnen unterwegs. In den Zentren verstädterter Regionen werden zwar mit 18 % auch häufiger öffentliche Verkehrsmittel genutzt, sie spielen aber keine so herausragende Rolle. Hier fahren die Erwerbstätigen häufiger mit dem Fahrrad zur Arbeit oder gehen sogar zu Fuß (25 % gegenüber 18 % in den Zentren der Ballungsgebiete). Offensichtlich spielen dabei die geringeren Entfernungen zwischen Arbeitsplatz und Wohnung und allgemein für das Fahrrad günstigere Verkehrsbedingungen eine Rolle.
Beim öffentlichen Fernverkehr zeigen sich weitere Hinweise auf einen Einfluss der Infrastruktur: In den Ballungsräumen mit einem meist gut ausgebauten Verkehrsnetz nutzen zwischen 6 % und 8 % Eisen- und S-Bahn. Nur 2 % bis 3 % sind es in den verstädterten und ländlichen Räumen.
Quelle:
https://www.destatis.de/DE/Publikatione ... ndler.html
Pibach hat geschrieben: ↑Sa Aug 26, 2017 10:21 pmIn kleineren Städten, also etwa Münster oder Freiburg sind die Wege viel kürzer und man ist mit Fahrrad ruckzuck überall - das geht so in Berlin nicht.
Münster hat ~310.000 Einwohner, Freiburg ~225.000 - das sind beides Grossstädte
Großstädte sind nach einer Begriffsbestimmung der Internationalen Statistikkonferenz von 1887 alle Städte mit mindestens 100.000 Einwohnern. Die weiteren damals getroffenen Definitionen sind die „Landstadt“ mit weniger als 5.000 Einwohnern, die „Kleinstadt“ mit unter 20.000 Einwohnern sowie die „Mittelstadt“ mit unter 100.000 Einwohnern. Städte mit mehr als 1.000.000 Einwohnern werden auch als „Millionenstädte“ oder „Metropolen“ und noch größere Agglomerationen manchmal als „Megastädte“ bezeichnet. (...) In Deutschland wird eine Großstadt nach dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung weiter unterteilt in eine „Kleinere Großstadt“ mit 100.000 bis 500.000 Einwohnern und eine „Große Großstadt“ mit mehr als 500.000 Einwohnern.
Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Großstadt
Pibach hat geschrieben: ↑Sa Aug 26, 2017 10:21 pmInsgesamt ist die Verkehrsleistung in Ballungsgebieten also möglicherweise größer als in kleineren Städten.
Es ging aber nicht um Ballungsgebiet vs. kleinere Städte sondern um Grossstadt (nicht Ballungsgebiet) vs. Land bzw. "Nicht-Grosstadt" (nicht "kleinere Städte"). In allen Grosstädten erscheint es logisch, dass es weniger Pendler gibt als ausserhalb derselben denn Pender ist so definiert:
Als Pendler werden Personen bezeichnet, die einen periodisch wiederkehrenden Wechsel zwischen Wohnort und Arbeits- bzw. Ausbildungsort vornehmen und dabei die Grenze ihrer Wohngemeinde überschreiten.
https://de.wikipedia.org/wiki/Pendler
[1]
Im vergangenen Jahr stieg der Anteil der pendelnden Beschäftigten um 0,2 Prozentpunkte auf einen neuen Rekordwert von 59,4 Prozent. Das teilte das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung mit. Damit wuchs die Zahl der Pendler von knapp 18 auf 18,4 Millionen.
Die Stadt mit den meisten Arbeitnehmern, die außerhalb wohnen, war München mit 365 000 Pendlern. Zu den Hauptgründen zählten die hohen Miet- und Immobilienpreise in den Städten sowie die gestiegene Beschäftigung, erklärte das Institut. Auch die Pendel-Entfernungen werden immer länger. So betrug der Durchschnitt des einfachen Arbeitswegs im vergangenen Jahr 16,91 Kilometer, 1999 waren es nur 14,59 Kilometer. Doch auch lange Strecken sind für viele normal. So ist der Anteil der Pendler mit einem einfachen Arbeitsweg von über 50 Kilometern auf 6,2 Prozent gestiegen.
https://www.saarbruecker-zeitung.de/wir ... id-2493470