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Re: Radwege Benutzungspflicht

Verfasst: Di Jan 26, 2016 1:40 am
von Pibach
bergauf hat geschrieben: Das Schlimme ist, dass diese Wege als sicher angepriesen werden, aber eine falsche Scheinsicherheit bieten.
Lt. der mir bekannten Studien ist das durchaus strittig (leider auch sehr gefärbt durch die UDV pro Auto Ausrichtung). Hängt wohl stark davon ab, wie das konkret ausgelegt wird.

Re: Radwege Benutzungspflicht

Verfasst: Di Jan 26, 2016 7:32 am
von Motte
Es ist sicher ganz schwer allgemein was dazu zu sagen.
Es hängt von der Mentalität der Autofahrer in der Gegend ab. Davon ob sie mit Radfahrern rechnen müssen und auch rechnen wollen. Ob der Radweg als solcher im Kreuzungsbereich erkennbar ist. Oder gar hervorgehoben. Ob die Radwegkreuzungen in der gleichen Stadt in immer anderen Varianten gebaut oder markiert sind. (dann sinkt die Erkennbarkeit) Ob die Radfahrer auf ihm erkennbar sind - also er ob er z.B. diese unselige Rechtsverschwenkung vor dem Überweg macht oder ob ihn eine Parkreihe vor dem KFZ Fahrstreifen abdeckt. Und auch davon wie sein Rechtsabbiegestreifen gestaltet ist. Es gibt noch viele, die suggerieren durch ihre Breite und Länge, dass man dort die Geschwindigkeit nicht raus nehmen muss.

Ich denke mir, dass da (bundesweit) vieles im Argen liegt. Auch bei neuen Anlagen.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass hier in Essen am damals neu gebauten Messeparkplatz (am Flughafen Essen-Mülheim) die Parkplatzbesucher unbedingt gegen alle Regeln - auch gegen den Einwand der Polizei) Vorfahrt gegenüber dem begleitenden (baulich abgesetzten) Radweg bekommen sollten. Man hat ihn verschwenkt - ihm rechtswidrig ein "Vorfahrt achten" Schild gegeben (wollte ihn aber auch unbedingt nutzungspflichtig machen) eine eigene Ampelanlage mit Bettelkontakt und ist letztlich doch an der geltenden Rechtslage gescheitert. Das hat aber geraume Zeit gedauert. Und hatte außer dem Rückbau auch keine weiteren Konsequenzen für die Planer und "Macher". Ich möchte lieber gar nicht wissen, wie viele solcher Maßnahmen andernorts noch existieren oder weiterhin so durchgezogen werden.
Das und ähnliche Dinge meinte ich auch mit "weiterhin dicke Bretter bohren".

Re: Radwege Benutzungspflicht

Verfasst: Di Jan 26, 2016 9:23 am
von katapult
Das ist ja das Problem: Deutsche Radinfra ist traditionell diskriminierend. Die absurde Konsequenz ist, daß Radfahrer und Automobillobby gemeinsam gegen Radinfra kämpfen. Schneller und effektiver kann man Radverkehr gar nicht marginalisieren.
Aus den bekannten Gründen will auch ich nicht auf den vorhandenen Radwegen fahren. Als furchtloser Vielfahrer gehöre ich aber zu einer Minderheit. Zu glauben mein persönliches Nutzungsverhalten sei mehrheitsfähig ist utopisch. Wenn ich mehr Radverkehr will, muss ich daher auch für den Ausbau von Radinfra sein. Aber natürlich echte Radwege und keine Rad-wegvonderFahrbahn-Wege wie in deinem Beispiel. Das geht eben nur zu Lasten des Verkehrsraumes, der bislang dem MIV vorbehalten war. Ohne diese Umverteilung ist es aber nicht zu machen. Dafür müssen Radfahrer kämpfen, und nicht gegen die ungeübten, langsamen und ängstlichen Radfahrer, gegen Kinder und Senioren.

Re: Radwege Benutzungspflicht

Verfasst: Di Jan 26, 2016 9:42 am
von katapult
In Langfassung und schöner formuliert:
http://www.zeit.de/mobilitaet/2014-05/s ... ng-fahrrad

Re: Radwege Benutzungspflicht

Verfasst: Di Jan 26, 2016 12:18 pm
von Pibach
Zu den gängigen Studien findet sich beim ADFC diese Replik: http://adfc-blog.de/2015/05/was-ist-dra ... -sicherer/

Re: Radwege Benutzungspflicht

Verfasst: So Jan 31, 2016 2:41 pm
von bergauf
nur ein paar Gedanken.

Eins der ganz wesentlichen Probleme vom straßenbegleitenden Radwegen ist hier illustriert: http://siggis-seiten.de/a/Prinzip_Radweg.htm

Das Problem hat man, sobald man die Radfahrer aus dem Verkehr absepariert, sowohl auf Wegelchen als auch Streifchen. Es läßt sich nicht vermeiden.
Natürlich kann man die Wegelchen rot färben, Schilder und Spiegel aufstellen, Abbiegeassistenten vorschreiben und dergleichen. Das mag alles ein bischen helfen, aber letztendlich ist es nur Herumdoktern an Symptomen, und es beseitigt nicht die Ursache.

Besonders kritisch wird es innerorts, weil da Kreuzungen ohne Ende gibt. Besonders viel Gelegenheit, dass es kracht.

Und Ghettoprediger wie der Verkehrsministerium-Blogger fordern solche Konstruktionen.


Studien und Statistiken sind ein weites Feld. Mit viel Glatteis. Behauptet und "belegt" wird alles und genauso das Gegenteil. Es geht mir wie vielen anderen auch, dass ich leider nicht genug Zeit und Kenntnisse habe, um alle diese Publikationen im Detail nachzuvollziehen. Denn das müßte man eigentlich.
Fehler und Manipulationsmöglichkeiten gibt es in diesen Dingen zuhauf. Wer neugierig ist, dem sei das Buch "Der Hund, der Eier legt" (Dubben/Beck-Bornholt) empfohlen. Darin werden Fehler, Mauscheleien und Fehlschlüsse in statistischen Studien besprochen. Zwar mit Schwerpunkt auf medizinischen Studien (die Autoren sind wohl Mediziner), aber die Methoden (und Fehler, Bescheißereien, Fehlschlüsse) sind ja überall dieselben.

Es gibt von der Bundesanstalt für Straßenwesen den Berichtzum Forschungsprojekt 8952 "Sicherung von Radfahrern an städtischen Knotenpunkten" (1992), der in meiner Erinnerung soweit ganz vernünftig (d.h. methodisch sauber) gemacht ist. Es gibt sicher auch noch andere.

(Ich würde mich jedenfalls wundern, wenn eine Konstruktion wie die Im Link, die es ja inzwischen massenhaft gibt, nicht zu einer erhöhten Unfallrate führen würde...)


In diese Kategorie gehört auch die gebetsmühlenartig wiederholte Aussage der Radwegprediger, dass man mehr Wegelchen bauen müsse, um mehr Radverkehr zu erhalten. Es werden dann meist ein paar Städte genannt, wo der Wegelchenbau und der Radverkehrsanteil gemeinsam voranschreiten, wo es also (zufällig?) irgendwie paßt. Das ist unseriös. Es gibt genauso Gegenbeispiele, Wien, z.b. wo es sehr viel Radwege gibt, aber der Radverkehr im Modal split eher kümmerlich ist. Oder Chemnitz, wo neulich in der Zeitung stand, dass der Rad-Anteil auf niedrigem Niveau stagniert (!). Natürlich sind die Wegelchen/Streifchen in den letzten Jahren nicht weniger geworden (sondern etwas mehr...).

Generell gibt es in D wohl einen gewissen, langfristigen Trend zum Radfahren. Der ist eben da, er hat viele ganz verschiedene Ursachen. So wie der Trend zum Smartphone, oder früher zum Häuschen draußen im Grünen oder oder oder. Die Radwegprediger sind da Trittbrettfahrer und nutzen ihn psychologisch geschickt für ihre Propaganda.

Ich freue mich natürlich, wenn mehr Rad gefahren wird, und ich wäre auch dafür, diesen Trend zu unterstützen. Allerdings nicht um jeden Preis und mit jeder Methode , und ich möchte mir nicht von den Radwegpropheten Ghettos vorschreiben lassen, beispielsweise. Ich wehre mich insbesondere dagegen dass mit der Angst der Leute gespielt wird und "gefühlte Sicherheit" zur entscheidenden Größe wird, um ein faules Konzept durchzudrücken. Dabei kann nichts gescheites herauskommen.
Im übrigen halte ich es für moralisch bedenklich, bekannte Probleme (siehe oben) kleinzureden und eine gefährliche Scheinsicherheit zu vertreten. Die Dänin mit dem Interview in der "Zeit" ist so ein Fall. "Gefühlte Sicherheit" (der Terminus kommt 1:1 im Interview vor) hat hohe Priorität. Unfallzahlen werden nichtmal hinterfragt.
Dafür überflüssige Kriegsrhetorik ("...junge Männer geht, die stark genug sind, den Kampf mit den Autofahrern aufzunehmen..."). Was soll der Quatsch? Seit wann ist Straßenverkehr Krieg? Seit wann steht denn das Faustrecht in der StVO, so dass man ein "junger Mann" sein müßte, um mit dem Fahrrad von A nach B zu fahren?

bergauf

Re: Radwege Benutzungspflicht

Verfasst: So Jan 31, 2016 5:54 pm
von Pibach
bergauf hat geschrieben: Das Problem hat man, sobald man die Radfahrer aus dem Verkehr absepariert, sowohl auf Wegelchen als auch Streifchen. Es läßt sich nicht vermeiden.
Du kannst >= eine Autolänge Versatz einplanen und die Radfahrer nachrangig machen. Das hat z.B. in Kreisverkehren die Sicherheit um Faktor 7 verbessert (mehr dazu hier). Auch ist das Vorankommen durchaus effizient, wenn der Radfahrer die Autolücke abpassen kann. Das funktioniert insbesondere bei 1-spurigen Querungen (erfordert Mittelinsel).
Nachteil ist aber der Platzbedarf.
Je nach Platz sind also unterschiedliche Lösungen sinnvoll.

Re: Radwege Benutzungspflicht

Verfasst: Di Feb 09, 2016 10:20 am
von Pibach
Hier ein sehr schönes Video dazu von bicycledutch, wie Radwege in den Niederlanden gestaltet werden, um das Radfahren attraktiver und sicherer zu machen:




Mehr dazu hier und auf bicycledutch.




Noch ein paar Details erläutert.

Re: Radwege Benutzungspflicht

Verfasst: Di Feb 09, 2016 9:05 pm
von Motte
Danke für das Einstellen der beiden Videos. Sie zeigen sehr schön, was (in anderen Ländern) möglich ist. Und das Radwege nicht immer was Böses sein müssen.

Diese Caps in den Ecken der Kreuzungen sind immens wichtig - sie verhindern das Schneiden in den Kurven durch KFZ. Die kennen ich hier z.B. gar nicht (ich hab noch nie welche in Deutschland gesehen).

Dann haben die Holländer einen anderen (freundlichen) Umgang miteinander - der uns auch meist fremd ist. Hier würde es schlicht nicht funktionieren, dass die Autofahrer freiwillig einzeln halten um die Radfahrer vorbei zu lassen. (so wie das bei den Abbiegern an der Kreutzung gezeigt wird). Das bedingt eine andere Grundeinstellung zum Miteinander im Straßenverkehr, die uns überwiegend abgeht.
Autofahrer übersehen dort auch keine Radler - sie würden sonst eine Straftat begehen - das kostet dann ein wenig mehr als die hier üblichen 30 Euro.
Da es dort viele Radfahrer gibt - Radfahren für die meisten ganz normale Fortbewegung im Alltag ist und Radfahren nicht nur was für Arme, Sportler und Freaks ist, achtet der Autofahrer auch automatisch an jeder Kreuzung auf sie. Da fährt nämlich eventuell auch sein Chef und sein Bürgermeister mit dem Rad rum. Und die Radfahrer wissen, dass sie beachtet werden. Dann fährt man auch anders.
Grüne Welle für Radfahrer ist dort was ganz normales - hier wäre das eine Sensation für die Presse.

Ich glaube nicht, dass wir jemals dort hin gelangen........
Erst recht nicht, wenn ich mal wieder lese, dass der neue Astra in der Basisversion mit 126 PS doch etwas untermotorisiert wäre.....da geht unsere Reise scheinbar in eine ganz andere Richtung.

Re: Radwege Benutzungspflicht

Verfasst: Di Feb 09, 2016 11:06 pm
von Pibach
Das hat sich in den Niederlanden auch erst ganz langsam entwickelt, seit den 70er Jahren. Die haben die Phalanx ihrer Autolobby durchbrochen. Dann ist die Pro-Fahrrad Haltung erwachsen. Das könnte hier auch klappen. In jedem Land.